Der burgenländische DER STANDARD-Journalist Guido Gluschitsch mahnt einen nachhaltigen und sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser ein, weiß aber, dass seine Botschaft kaum gehört wird: „Es geht uns noch zu gut.“
Guido, man kennt dich eigentlich als Auto-Redakteur des STANDARD. In letzter Zeit trittst du immer öfter als Mahner zu Wasser-Fragen in Erscheinung. Du prangerst Ressourcenverschwendung und Gedankenlosigkeit an – und zeigst mit dem Finger auf ein Thema, das für viele keines ist: Österreich ist doch kein Dürrestaat!
Ja, ich war lange Auto- und Motorrad-Redakteur beim Standard, habe dann aber aus ökologischen Überlegungen und eigenen Interessen das Themenfach gewechselt. Ich konzentriere mich heute auf Mobilität mit Fokus auf umweltfreundliche Mobilität. Das liegt auch ein bisschen daran, dass ich ins Burgenland, in die Nähe von Eisenstadt, gezogen bin. Weil der Kollege, der bis dahin das Burgenland betreut hat, in Pension gegangen ist, habe ich das Land quasi „übernommen“ – und damit den Neusiedler See. Mit dem habe ich mich dann immer intensiver beschäftigt. So wurde aus dem „benzindepperten“ Raser und Im-Kreis-Fahrer ein sehr ökologisch denkender Mensch. Vielleicht ja genauso extrem wie vorher als Benzinverbrenner.
Was heißt das konkret?
Zum Beispiel, dass ich den Rasen im Garten nur dort mähe, wo ich gehe. Alles andere bleibt wild. Ich versuche, Wege zu Fuß oder mit den Öffis zu erledigen. Versuche, mein Zuhause so schön zu machen, dass ich im Urlaub gar nicht weg muss. Irgendwann landest du dann beim Wasser: Du merkst, dass du im Klo Trinkwasser runterspülst, während draußen alles verdorrt. Während die Salzlacken im Seewinkel austrocknen – und der See verschwindet.
Womit wir beim Thema wären: Du kommentierst immer wieder den gedankenlosen Umgang mit Wasser, während die Wissenschaft vor einem bevorstehenden Wassermangel warnen. Nur: Ziehst du jetzt deshalb die Klospülung nicht mehr?
Ich habe meine Toilette „umprogrammiert“. So dass nur mehr ein Minimum durchläuft. Aber ich möchte nicht missionieren. Auch journalistisch nicht. Klar: Ich halte den Finger auf die Wunde – aber es geht auch darum, was ich für mich umzusetzen kann. Ich versuche Wasser zu sparen, wo es geht – und das erreicht auch andere Menschen: meine Nachbarin etwa hat unlängst mitbekommen, dass ich meine Blumen mit dem Kübel genieße – das tut sie jetzt auch.
Wo liegt der Sinn dieser Übung?
Das hat sie zuerst auch gefragt. Ich stell in der Früh einen Kübel in die Dusche – bis das Wasser warm ist. Sonst gehen 10 oder mehr Liter direkt in den Kanal. Wozu? Ich sammle das – und kann Geschirr vorspülen, Tee kochen und Blumen gießen.
Aber im Großen läufst du gegen Wände: Man sieht, dass der Neusiedlersee verschwindet, sagt „traurig“ und geht den Pool befüllen. Oder das Auto in der Auffahrt waschen. Da werden Felder zu Mittag in der größten Hitze von oben beregnet – dabei verdunsten über 40 Prozent des Wassers. Und um öffentliche Schwimmbäder auf die Saison vorzubereiten, laufen tagelang alle Duschen und Wasserhähne – während ringsum der Grundwasserspiegel absackt. Du schreibst genau über solche Dinge – aber niemanden schert es. Oder?
Ich weiß ja nicht einmal, wer Recht hat! Es gibt sogar Klimaforscher:innen, die sagen, dass das jetzt bloß eine etwas trockenere Periode sei und wir in fünf oder zehn Jahren wieder nassere Zeiten haben werden.
Andere warnen aber, dass diese Trockenheit anhalten wird. Aber solange der See noch da ist, denkt eben niemand um. Dabei wäre spätestens jetzt die Zeit, die Weichen zu stellen: Die ganze Region, vor allem der Seewinkel ist in den letzten 150 Jahren dramatisch entwässert worden. Das waren Feuchtwiesen – die nahm man früher nur als Krankheitsherd wahr. Man hat sehr effizient die Landschaft trockengelegt. Hat dem Neusiedler See das Wasser abgeschnitten. Das sind ja Flüsse hineingeflossen, die heute direkt in die Donau abgeleitet werden.
Jetzt müsste man rückbauen – nur das ist damals so effizient gebaut worden, dass man oft nicht mehr rückbauen kann: In den Gebieten, die trocken gelegt worden sind, wurden Keller gebaut. Würde man das Grundwasser wieder aufstauen, wären alle Keller im Nassen. Die sind zwar zum Teil illegal gebaut worden, aber sind jetzt eben da – da hat das Wasser, der Boden Pech gehabt.
Aber solange der See noch da ist, denkt eben niemand um. Dabei wäre spätestens jetzt die Zeit, die Weichen zu stellen.
Guido Gluschitsch
Journalist bei DER STANDARDIst das wirklich so absolut?
Es hängt davon ab, wohin die Reise geht. Oder wohin wir wollen, dass die Reise geht: Solange der Mensch sich als Krone der Schöpfung sieht, nach der sich die Natur zu richten hat, werden wir es nicht richtig machen. Das ist beim Wasser im Seewinkel so. Das ist bei Regulierungen, wo kein Grundwasser mehr steht – weil die Flüsse so rasch abfließen – das gleiche. Aber auch beim Beregnen der Felder, beim Füllen von Pools, bei der Bodenversiegelung: Egal was wir angreifen – wir machen es falsch.
Es wäre die Aufgabe der Politik regulierend einzugreifen. Nicht die eines Journalisten.
Ja, vor allem, weil einiges davon – etwa das Autowaschen ohne Abscheideanlage, sowieso verboten ist. Ich versteh es nicht: Das sind Dinge, die nicht nur illegal, sondern auch sinnlos sind. Dieses verschwenderische Gehabe!
Wir haben die schönsten Badeseen – braucht wirklich jeder einen Pool im Garten?
Ist die Verschwendung öffentlicher Ressourcen tatsächlich das adäquate Mittel, um den eigenen Reichtum der Nachbarschaft zu präsentieren?
Das sind Fragen, die jede:r für sich entscheiden muss. Es geht mich ja echt nichts an: mein Nachbar gießt seine Thujen so, dass der Rasen zentimetertief unter Wasser steht – und sein Mähroboter schneidet ihn so kurz, dass er alle Maulwürfe und die Igel umnietet. Aber es ist sein Garten, es ist sein Leben.
Aber es beeinflusst auch deines – und das aller anderen, wenn es viele tun.
Ja. Ich versteh eben nicht, wieso das alle gleich machen: Regenwasser geht überall von der Dachrinne direkt in den Kanal – ich habe das bei mir zurückgebaut. Damit es im Garten in den Boden geht. Aber wer bin ich, anderen etwas vorzuschreiben?
Aber wäre es nicht im Sinne alle, hier Regularien zu ändern? Nicht nur in den Gärten – sondern vor allem in der Landwirtschaft?
Es geht uns noch viel zu gut. Als es im Frühjahr und im Winter ganz offensichtlich viel zu trocken war, begannen ein paar Politiker:innen langsam in die Gänge zu kommen. Man begann, die Reglementierungen für das landwirtschaftliche Bewässern im Seewinkel neu aufzusetzen. Da ist tatsächlich Bewegung entstanden.
Dann hat es drei, vier Tage geregnet. Der Grundwasserpegel stieg ein wenig – und damit war das Thema erledigt: Wir reden erst wieder drüber, wenn es im Juni wirklich zu wenig oder gar kein Wasser gibt. Aber bis dahin vergeht Zeit. Wertvolle Zeit, die wir nicht mehr haben.
Aber Politik geht anders: Wer wieder gewählt werden will, darf niemanden was wegnehmen. Wer jetzt anspricht Bauern Wasser wegzunehmen, das sie eh nicht brauchen würden, wenn sie ihre Arbeit nur minimal umstellen würden, gewinnt keine Wahlen.
Sind Bauern wirklich pauschal beratungsresistent?
Eben nicht! Gerade im Seewinkel sehen viele junge Bauern die Problematik sehr wohl. Die stellen um. Aber es gibt auch welche, die nichts ändern wollen. Die wollen weder umdenken noch investieren, um anders oder sparsamer zu bewässern: Etwa, weil sie den Hof noch fünf, zehn Jahre bearbeiten werden, kein Erbe in Sicht ist, der übernimmt. So einem ist der Grundwasserpegel wurscht.
Aber genau die sind besonders laut und finden politisch Gehör. Eine kleine Gruppe – aber in deren Windschatten fahren die, die sagen, dass das alles gar kein Problem sei. Dass die Natur das schon schafft.
Und wieso schreibst du dagegen an?
Zuerst war es vor allem meiner Arbeit geschuldet, dass ich hinschaue. Die Kommentare ergaben sich dann, weil wir Meinung von Fakten trennen. Ich weiß, dass Journalisten sich oft selbst zu wichtig nehmen. Aber wenn ich einen Schritt zur Seite mache, und versuche, mich selbst auszublenden, sage ich: Es ist wichtig, dass das geschrieben wird. Jemand muss auf die Dinge zeigen, über die man nur zu gerne hinwegsieht.
Ich traue mich aber nicht zu sagen, wer am Ende recht haben wird. Vielleicht haben sogar die recht, die heute sagen, wir können alles betonieren und regulieren – und die Vögel werden schon andere Nistplätze finden: Wir machen uns die Erde eben untertan – das haben wir schon immer und das ist gut und richtig so.
Nur: Was, wenn das, wovor ich warne, doch zu- oder eintrifft? Denn wir sind in der Art wie wir arbeiten, wie wir die Natur verändern, so erfolgreich, dass wir meist nichts mehr zurücknehmen können.
Ich weiß, dass Journalisten sich oft selbst zu wichtig nehmen. Aber wenn ich einen Schritt zur Seite mache, und versuche, mich selbst auszublenden, sage ich: Es ist wichtig, dass das geschrieben wird. Jemand muss auf die Dinge zeigen, über die man nur zu gerne hinwegsieht.
Guido Gluschitsch
Journalist bei DER STANDARDDu willst unrecht haben?
Ja, gerne. Aber trotzdem müssen wir den Fokus darauf legen, welche Eingriffe in die Natur irreversibel sind: Es wird nicht besser, sondern schlimmer.
Schau dir den Neusiedler See an. Der hat mit dem, was er ursprünglich war, nichts mehr zu tun. Das ist heute ein künstlicher See. Sollen wir die Badewanne also anfüllen? Oder ist es richtiger, sie austrocknen zu lassen?
Das ist in den 1960er-Jahren auch passiert – und er kam wieder.
Ja – aber heute gibt es diese Grundwasser-Ableitungen. Und im Seewinkel befürchten einige Expert:innen, dass selbst wenn wirklich viel Regen kommt, diese Ableitungen so effektiv sind, dass kein Wasser im See bleiben würde. Und ein See, der nicht da ist, ist auch touristisch kein Ziel mehr.
Nicht ganz: Es gibt Touristiker:innen, die sagen, dass etwa der ausgetrocknete Zicksee im Vorjahr eine Attraktion war. Die Zahlen sollen richtig gut gewesen sein…
Dieser Katastrophentourismus wird schnell wieder aufhören. Weil man nur einmal kommt, um zu sehen, wie trostlos Trostlosigkeit ist. Und ob diese Besucher:innen über Nacht bleiben?
Manche Touristiker:innen sagen jetzt auch, es gibt doch den Wein, die Radwege, die Kulinarik – da kommen die Leute immer noch. Ich glaube aber, dass der See mehr ist als die Fototapete im Hintergrund. Das merke ich selbst: Ich setze mich ans Ufer und schaue raus – und bin in einer Sekunde in einer anderen Welt. Sorgen, Ängste, Arbeit – das fällt von mir ab. Das kann was. Wenn der See weg ist, wird es mir, wird es allen, wahnsinnig leidtun.
Trauerst du jetzt schon?
Nein. Er ist ja noch da und ein Paradies, auch wenn ihm Wasser fehlt. Die Touristiker:innen drücken mächtig drauf, dass ein heileres Bild gezeigt wird. Das ist wohl auch der Medienarbeit geschuldet, die in die komplett konträre Richtung geht. Der Versuch, die Situation noch dramatischer darzustellen, als sie ohnehin ist, ist offensichtlich: Es sind nie mehr Pressefotograf:innen hier, als wenn zwei Tage Westwind weht und die Ufer im Nordwesten trockenfallen, weil das Wasser am anderen Seeende ist. Die Touristiker:innen fotografieren zeitgleich im Südosten in Illmitz – und so schießt jede:r übers Ziel hinaus.
Aber seine Funktion zur Entspannung und zum Kanufahrens – bei wenig Tiefgang – erfüllt der See noch. Man kann schwimmen und kiten. Oder im Restaurant sitzen, auf den See schauen und sich von Gelsen stechen lassen.
Ok, einige Schilfhütten im Südwesten sind nicht zugänglich. Pech für die Immobilienbesitzer – aber der See ist immer noch wunderwunderschön.
Und schon ist die Welt in der allgemeinen Wahrnehmung wieder heil?
Ja, ein Stück weit funktioniert das so: Dann redet keiner über Wassermanagement oder einer Ressource, die es sinnvoll und nachhaltig zu nutzen gilt: das ist unbequem und wird nicht gewollt.
Versuch, „Grauwasser“ im eigenen Haus zu nutzen: Da stößt du auf wahnsinnige Hürden. Du glaubst nicht, welche Auflagen man erfüllen muss, um das eigene Duschwasser im Klo runterlassen zu dürfen. Abgesehen von fünfstelligen Investitionen. Im Neubau könnte man das wunderbar und einfach mitdenken – und verpflichtend verordnen. Das wäre sogar aktives Energiesparen, etwa wenn man Duschwasser Wärme entzieht. Aber das denkt oder diskutiert niemand an.
Wieso eigentlich?
Eben weil es uns noch zu gut geht. Wir leben mit dem Bewusstsein, dass Wasser eh immer da ist. Es darf nichts kosten. Wir werden aber – früher als uns lieb ist – am gleichen Punkt stehen, wie bei Erdgas und Strom: Plötzlich wird das, was immer billig war, exorbitant teuer sein.
Dann werden alle aufschreien, Förderungen und Hilfen verlangen. Aber jetzt, wo wir das erste mal Hinweise darauf bekommen, dass diese Ressource nicht unerschöpflich ist, will keiner hinschauen. Oder hinhören.
Wir leben mit dem Bewusstsein, dass Wasser eh immer da ist. Es darf nichts kosten. Wir werden aber – früher als uns lieb ist – am gleichen Punkt stehen, wie bei Erdgas und Strom: Plötzlich wird das, was immer billig war, exorbitant teuer sein.
Guido Gluschitsch
Journalist DER STANDARDWie geht es dir persönlich damit?
Irgendwo habe ich noch die kleine Hoffnung, dass uns doch noch ein Licht aufgeht. Dass wir das noch hinbekommen. Die Politik lässt mich daran aber massiv zweifeln. Sie beweist mir das Gegenteil. Darum hoffe ich ja, dass die Skeptiker Recht haben und ich mich irre.
Denn im Moment merke ich nicht, dass irgendwas weiter geht: Wir regen uns über Leute auf, die sich auf die Straße kleben, statt zu hinterfragen, ob man wirklich über die Sperre ärgern muss, weil man lieber mit dem Auto durch Wien fährt, statt das Rad oder die Öffis zu nutzen.
Wenn das schon bei offensichtlichen Problemen dermaßen daneben geht, dann fürchte ich, dass es beim Wasser noch länger dauern wird, bis das in den Köpfen ankommt.
Aber vielleicht taucht ja noch ein/eine Politiker:in auf, der/die sagt: „Wurscht, dann wählt ihr mich halt nimmer – aber vorher mache ich das, was richtig und wichtig ist.“
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