Umgeben von den Trophäen vergangener Jagden – von Gams, Hirsch & Rehbock – sieht Herbert Sieghartsleitner in diesen nicht bloß Prestigeobjekte, sondern vielmehr Erinnerungsstücke an unvergleichliche Naturerlebnisse. Als erfolgreicher Jäger legt Sieghartsleitner Wert darauf, nicht als Trophäenjäger gesehen zu werden. Für ihn steht das Erlebnis, die Nähe zur Natur, die Zeit mit Menschen und der respektvolle Umgang mit dem Wild im Vordergrund. Die Trophäen sind ein Teil davon. In einem zweistündigen Zoom-Call führt er mit mir ein offenes Gespräch über die Wichtigkeit der Frauen, die Notwendigkeit der Veränderung und die Herausforderung des Klimawandels für die Jägerschaft selbst.

Als Jagdleiter in seiner Heimatgemeinde Molln und als Vorsitzender der oberösterreichischen Jägerschaft vertritt er rund 21.000 Jägerinnen und Jäger. Seine Aufgabe sieht er nicht nur in der Organisation und Durchführung der Jagd, sondern auch in der Vertretung der Jägerschaft gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit. Die Jagd, so Sieghartsleitner, darf nicht oberflächlich verstanden und betrieben werden. Sie ist ein komplexes Gefüge aus Naturverständnis, Tierbegegnungen und persönlicher Entwicklung.

Jede Jagd folgt gesetzlichen Rahmenbedingungen, einem Abwägen zwischen Notwendigkeit und Leidenschaft. So auch die Entscheidung, einen 14 Jahre alten Hirsch zu erlegen, den ich in seine Stube hängen sehe. Eine Entscheidung, die nicht leichtfertig, sondern mit Bedacht und Respekt vor dem Leben des Tieres seinerseits getroffen wurde. Sieghartsleitner betont, dass die Jagd weit mehr als eine Freizeitaktivität für ihn sei – sie ist ein tiefes, intensives Naturerlebnis, das ihm in keinem anderen Bereich seines Lebens begegnet ist, weder in seiner beruflichen Laufbahn als Landwirt, noch in seinen jungen Jahren als Bergsteiger und Kletterer.

Ich liebe Tiere, auch wenn ich Tiere töte. Das Mag paradox klingen, doch Tod und Sterben ist Teil des Lebens.

Herbert Sieghartsleitner

Jäger

Die Herausforderungen der Jagd wandeln sich mit der Zeit.

Die Klimaerwärmung verändert die Lebensräume der Wildtiere und damit die Bedingungen der Jagd. Waldumbau, Anpassung an neue klimatische Bedingungen und die verantwortungsvolle Regulation der Wildbestände sind Aufgaben, denen sich die moderne Jägerschaft stellen muss. Sieghartsleitner sieht in der Anpassung und Weiterentwicklung der Jagdpraktiken, in der Weiterbildung der Jägerinnen und Jäger sowie in der Kommunikation mit der nicht jagenden Öffentlichkeit wesentliche Säulen für eine zukunftsfähige Jagd.

Die Jagdgesellschaft, so Sieghartsleitner, ist in einem Entwicklungsprozess. Ein Drittel der Jägerinnen und Jäger ist sehr selbstkritisch und offen für Neuerungen, ein weiteres Drittel folgt den Entwicklungen, schwimmt mit, während das letzte Drittel skeptisch bis ignorant gegenüber Veränderungen ist. Die große Aufgabe besteht darin, alle mitzunehmen und für die notwendige Weiterbildung zu gewinnen. Denn nur so kann die Jagd in ihrer traditionellen Form bewahrt und gleichzeitig den Anforderungen der Moderne angepasst werden.

Auch die Rolle der Frau in der Jagd wandelt sich. „Frauen nähern sich dem Akt des Jagens oft anders an als Männer, mit einer tieferen, ganzheitlichen Sicht auf die Natur und das Wild. Auch wenn das nicht generalisiert werden soll. Sie bereichern die Jagdkultur und führen zu einer notwendigen Erweiterung der Perspektiven innerhalb der Jägerschaft“, so Sieghartsleitner.

Sieghartsleitner stehe für eine Jagd, die von Vernunft, Respekt und Verantwortungsbewusstsein geprägt ist. Die Jagd ist für ihn ein Ausdruck des tiefen Verständnisses und der Liebe zur Natur, auch wenn sie den Tod von Tieren mit sich bringt. Es ist ein Balanceakt zwischen dem Bewahren von Traditionen und dem Anpassen an neue gesellschaftliche und ökologische Gegebenheiten. In seiner Vision der Jagd vereinen sich Respekt vor dem Leben, ethische Verantwortung und eine tiefe Verbindung zur Natur zu einem ganzheitlichen Ansatz, der die Jagd nicht nur als sportliche Betätigung, sondern als kulturelles und ökologisches Engagement begreift.

Herbert Sieghartsleitner

Als Landesjägermeister fungiert Herbert Sieghartsleitner seit dem 23. April 2019 als das Gesicht des OÖ Landesjagdverbands nach außen. In seiner Rolle als Vorsitzender leitet er sowohl den Landesjagdausschuss als auch den Vorstand und ist für die Geschäftsführung sowie die Umsetzung der Beschlüsse beider Gremien verantwortlich.

Titelbild: © Herbert Sieghartsleitner