Der renommierteste „Bienenprofessor“ Deutschlands, Verhaltensforscher, Soziobiologe und Bestsellerautor Dr. Jürgen Tautz hat im Februar letzten Jahres mit dem preisgekrönten Naturfotograf Ingo Arndt „Honigbienen – geheimnisvolle Waldbewohner“ publiziert. Kaum ein Jahr später erscheint nach dem Bestseller ein weiteres, spannendes Werk – „Die Sprache der Bienen“-, in dem er die wohl bekannteste Kommunikationsform des gesamten Tierreichs, dem Schwänzeln der Honigbiene, dessen Beobachtung Karl von Frisch den Nobelpreis 1973 einbrachte, relativiert – denn ganz so einfach ist es auch wieder nicht zu verstehen. Streng genommen ist es kompliziert. Eine Wissenschaft eben. Ernst Merkinger hat Dr. Jürgen Tautz zum Interview getroffen.
In Österreich ist die Zahl der Bienenvölker von 1995 bis 2015 um 25 Prozent gefallen – das sind > 100.000 Bienenvölker/ca. 2.000.000.000 Bienen. Und die Lage der Wildbienen ist ähnlich bedrohlich: Über die Hälfte der ca. 700 in Österreich ansässigen Wildbienenarten sind bedroht. Was sind die Hauptgründe dafür?
Viele der solitären Wildbienenarten sind in ihren Lebensbedingungen hoch speziell. Das betrifft sowohl das Nahrungsangebot im Pflanzenspektrum, an denen die Bienen den Pollen zur Versorgung ihrer Brut sammeln, als auch besondere Anforderungen an Nistplätze, an denen sie ihre Brutnester einrichten. Auch Umweltgifte – und dabei insbesondere Insektizide – setzen ihnen ebenso zu, wie allen anderen Insektenarten auch.
Was läuft in der Imkerei falsch?
Die Antwort auf diese Frage fällt so vielfältig aus, wie die Motivation sich mit Honigbienen zu befassen und die Art der Sicht auf die Bienen. Dabei ist jeder Standpunkt davon überzeugt, sich gegenüber den Bienen richtig zu verhalten. Eine solche Gesamtsituation ist nur deshalb möglich, weil es nicht den einen Königsweg im Umgang mit den Honigbienen gibt. Ein Honigertragsorientierter Imker wird eher alles vermeiden wollen, was den Ablauf einer effektiven Imkerei stört, ein Bienenhalter, dem es darauf weniger ankommt, wird versuchen, den Bienen möglichst naturnahe Bedingungen zu bieten.
Haben die Bienen durch die Zucht ihre „Natur“ verloren? Wird ihre Überlebensfähigkeit „wegselektiert“?
Nein, verbringt man ein be-imkertes Bienenvolk in dessen natürliche Waldumgebung und siedelt es in einem hohlen Baum an, sind sofort alle Fähigkeiten verfügbar, die den Bienen seit Jahrmillionen das Überleben ermöglichen.
Ist das Imkern, wenn man es genau nimmt, eine manipulative Massentierhaltung? Bedarf es ein radikales Umdenken in der Imkerei, dass die Biene wieder Biene sein kann?
Die „Massentierhaltung“ ist der Kern der natürlichen Lebensweise der Honigbienenvölker. Kaum ein anderes Lebewesen lebt in derart dichter Enge wie die zehntausenden Bienen in ihrer Kolonie. Das radikalste Umdenken der Imkerei wäre das komplette Aufgeben der Imkerei. Dann kämen Honigbienen lediglich noch als Wildtier vor. Sie wären dann aber auch tatsächlich dem konkreten Risiko ausgesetzt, in den Regionen komplett zu verschwinden, in denen die Umweltbedingungen ein Überleben ohne Unterstützung durch den Menschen unmöglich machen. Eine breite Palette der Möglichkeiten den Honigbienen gegenüberzutreten ist in meinen Augen eine gute Basis für die Beziehung Mensch-Honigbiene, wenn in jedem Fall die Achtung vor diesen wichtigen und hochinteressanten Insekten den Umgang bestimmt.
Wie kann man die Biene als engagierte/r Bürger*in unterstützen? Was bedarf es allgemein, gesellschaftlich?
Den Honigbienen geeignete Lebensbedingungen schaffen und die Imker in ihrer Arbeit unterstützen wären die beiden Felder, auf denen die Honigbienen am nachhaltigsten gefördert werden können.
Wie gut können Bienen riechen?
Der Geruchssinn der Honigbienen sitzt in Form zehntausender von Sinneszellen in ihren beiden Fühlern. Die Düfte, die für Honigbienen relevant sind, sind die Düfte der Blüten und die Botenstoffe (Pheromone), die Honigbienen in ihrer Kommunikation einsetzen.
Wie findet eine Biene den Lindenbaum und dann vom Lindenbaum wieder zu ihrem Bienenstock retour? Wie kann man sich das vorstellen?
Junge Arbeiterinnen unternehmen zu Beginn ihres Außendienstes in den ersten Tagen Orientierungsflüge in der Umgebung ihres Bienenstocks und prägen sich dabei auffallende optische Landmarken ein. Auch Düfte spielen in deren Orientierung eine große Rolle. Sehr gut erforscht ist ihre Orientierung mittels Sehsinn, deutlich weniger gut wissen wir über ihre Orientierung nach Düften im Freiland Bescheid, außer, dass es sie gibt.
Sie haben das Buch „Die Sprache der Bienen“ publiziert – wie kommunizieren Bienen miteinander, sowie der Nobelpreisträger Karl von Frisch es vermutet hat?
Karl von Frisch hat in seinen eindrucksvollen Forschungen bereits alle Bausteine gesehen, die Honigbienen in ihrer Verständigung über neu entdeckte Futterquellen einsetzen. In seinen eigenen Forschungen hat er später dann aber Weichen gestellt, die wichtige frühe Erkenntnisse vernachlässigt haben und die bis heute die Schwerpunktsetzung der Verhaltensforschung an Bienen bestimmen.
Dabei wird dem Bienentanz im Stock ein Gewicht in der Informationsvermittlung beigemessen, das sich bei näherer Betrachtung relativiert. Betrachtet man die Rekrutierung von Neulingen durch erfahrene Bienen zu einer Futterstelle als dreistufigen Prozess, ist der Tanz für die erste Stufe verantwortlich. Der Tanz sendet Neulinge in eine Region, in der sie dann auf Blütendüfte und die Fortsetzung der Hilfe durch die Tänzerinnen draußen im Feld treffen (Stufe 2), die sie dann zu dem in den Tänzen beworbenen Ziel bringen.
Dr. Jürgen Tautz (*6.Oktober 1949) ist Professor am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Verhaltensforscher, Soziobiologe & Bienenexperte. Neben seinem mit Naturfotograf Ingo Arndt erschienen Bestseller „Honigbienen – geheimnisvolle Waldbewohner“, hat er heuer das Buch „Die Sprache der Bienen“ (alle bei Knesebeck Verlag) veröffentlicht.
Weitere Informationen zu Jürgen Tautz unter www.hobos.de
Das sagen unsere Kund:innen
Bewertungen bei Google
4.2Bewertungen bei oekostrom
5.0