Naturkosmetik-Produkte findet man mittlerweile in jedem gut sortierten Drogeriemarkt. Aber hast du schon mal vom Konzept der Grünen Kosmetik gehört? Hier werden anders als in der Naturkosmetik ausschließlich unverarbeitete Lebensmittel nach dem Jahreskreislauf verwendet. Ich habe mit Katharina Kohlbach, Dipl. Grüne-Kosmetik-Pädagogin über das Konzept der Grünen Kosmetik gesprochen und, darüber, was das mit Gesundheit und Nachhaltigkeit zu tun hat.

Katharina, warum braucht es eine Alternative zur konventionellen Kosmetik?

Die konventionelle Kosmetik verwendet sehr viele Inhaltsstoffe, die fragwürdig sind und die Hautbarriere schädigen können. Die Haut ist unser größtes Organ und diese Inhaltsstoffe beeinträchtigen sie, machen sie angreifbar für Störungen oder sie wird durchlässiger für Bakterien. Viele Menschen bekommen zum Beispiel Allergien oder Neurodermitis. Das kommt von den Stoffen, die wir auf unsere Haut geben und wenn es der Haut zu viel wird, wehrt sie sich.

Dein Weg ist nicht “nur” Naturkosmetik, sondern die Grüne Kosmetik. Was ist der Unterschied?

Bei der Naturkosmetik werden hoch verarbeitete Rohstoffe verwendet, also extrahierte Pflanzenstoffe, während bei der Grünen Kosmetik unverarbeitete Lebensmittel genutzt werden. Das heißt, die ganze Pflanze steht im Vordergrund.

In den einzelnen Pflanzenteilen sind unterschiedliche Mikronährstoffe enthalten, die sich gegenseitig stützen und tragen. Alles braucht sich gegenseitig, deshalb ist die gesamte Verarbeitung so wichtig. Erst mit der Vielzahl an Wirkstoffen kriege ich das volle Wirkspektrum für die Haut.

Man braucht in der Grünen Kosmetik auch keinen Fachhandel. Alle Zutaten bekommt man im Super- oder im Biomarkt oder in der Natur. Deshalb spielt auch der Jahreskreislauf eine Rolle. Es geht quasi um die saisonale und regionale Ernährung der Haut. Zusätzlich ist die Grüne Kosmetik im Gegensatz zur Naturkosmetik essbar. In der Naturkosmetik werden wiederum keine Lebensmittel genutzt.

Bei der Grünen Kosmetik werden unverarbeitete Lebensmittel nach dem Jahreskreislauf verwendet. Foto: katharina Ruehrt

Ein Holzbrett mit Kräutern, Gewürzen, einer Orange, Keramikschüsseln, Flaschen und einem Mörser auf einem Holztisch verkörpert die Essenz von Grüne Kosmetik.

Was genau hat es mit dem Jahreskreislauf in der Grünen Kosmetik auf sich?

Saisonale Pflanzen und Lebensmittel sind einfach am wirkstoffreichsten. Wenn Zutaten erst lange gelagert werden müssen, verlieren sie einen Teil ihrer Wirkung. Der Jahreskreislauf bringt Abwechslung und Schwung und es lässt sich wirklich in jeder Saison etwas finden, selbst im Winter. Man muss nur mit offenen Augen durch die Natur gehen.
Zum Beispiel habe ich Anfang des Jahres meinen gesamten Christbaum zu einer Kosmetik-Serie verarbeitet. Der Baum war natürlich auch Bio – das ist wichtig, damit keine Schadstoffe auf die Haut gelangen.

Wie bist du überhaupt zur Grünen Kosmetik gekommen?

Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für die Natur, für das Ausprobieren und Selbermachen. Begonnen hat alles auf meiner Terrasse, wo ich Pflanzenraritäten angebaut habe. Über Wildkräuterwanderungen bin ich dann zur Naturkosmetik gekommen und habe schließlich meine Diplome als Heilkräuterpraktikerin nach Hildegard von Bingen und als Grüne-Kosmetik-Pädagogin gemacht.
Irgendwann hat mein Mann zu mir gesagt: “Katharina, du rührst ja nur noch.” So ist Katharina rührt entstanden.

Katharina Kohlbach beim Sammeln der Zutaten für ihre grüne Kosmetik. Foto: Ingrid Goetz, Foto: Ingrid Goetz

Eine Frau in einem ärmellosen Hemd pflückt in einem Garten orangefarbene Blumen für ihre Naturkosmetik-Kollektion und hält einen Metallkorb.

Mit Katharina rührt vermittelst du dein geballtes Wissen in DIY Workshops online und in Wien zum Thema Naturkosmetik, Reinigungsmitteln und Seifen. Was ist deine Intention dabei?

Zunächst mal macht es mir einfach Freude tief in die Thematik einzutauchen und die Zusammenhänge zu verstehen, mir Rezepte auszudenken und dann natürlich meine Erfahrungen weiterzugeben. Ich möchte andere dazu befähigen, für sich selbst sorgen zu können und unabhängig von der Industrie oder von Drogeriemärkten zu sein.

Die Grüne Kosmetik schafft wieder eine Verbindung zu den Jahreszeiten und auch zur Natur. Die Menschen in meinen Kursen lernen so nicht nur die Wertigkeit regionaler und saisonaler Produkte kennen, sondern schätzen die Dinge auch ganz anders wert.

Gleichzeitig geht es um Gesundheit und Nachhaltigkeit. Beim Essen haben wir schon verinnerlicht, dass regionale, saisonale und biologische Lebensmittel für uns und die Umwelt besser sind. Aber die Haut isst auch und alles, was wir auf unsere Haut geben, geht direkt in den Blutkreislauf.

Das heißt, Nachhaltigkeit bedeutet für dich eine Grüne Ernährung für die Haut?

Nachhaltigkeit heißt für mich auch, alles zu verwenden. Ich schaue mir bei meinen Naturkosmetik-Produkten oft an, welche Reste ich zu Hause habe, die ich verarbeiten kann.

Nachhaltigkeit kann aber auch heißen, tierische Fette zu nutzen. So wie es in unserer Kulturregion schon immer war – also nochmal das Thema Regionalität. Allerdings ist das ein sehr sensibles Thema, insbesondere in der Beschaffung. Dabei sind tierische Fette sonst ein Abfallprodukt. Wenn man Nachhaltigkeit und Verwertung zu Ende denkt, kann man so aber ein eigentliches Abfallprodukt zu einem Luxusprodukt aufwerten.

Genauso heißt Nachhaltigkeit für mich, zu verstehen, dass nicht immer alles verfügbar ist und gleichzeitig immer genug da ist. Der Holunder blüht zum Beispiel nur ganz kurz und statt mir daraus zig Produkte herzustellen, rühre ich nur ein Öl. Denn danach kommt schon die nächste Pflanze. Nachhaltigkeit heißt also vor allem, nur das zu nehmen, was ich gerade brauche.

…und wie viele Kosmetikprodukte brauchst du persönlich?

Ich nutze immer ein Öl, vor allem weil das super vielseitig ist. Das wird zur Körper- und Gesichtspflege, als Handcreme und zum Abschminken benutzt und ich kann daraus alles Weitere, wie Creme oder Lippenpflege, herstellen.

Außerdem ein Deospray, dass ich nicht nur als Deo, sondern auch bei unreiner Haut, zur Hautberuhigung nach der Rasur, zum Zähneputzen und sogar bei Halsschmerzen anwenden kann. Hinzu kommen so Dinge, wie Roggenmehl zum Haarewaschen.

Foto: katharina ruehrt

Zwei Stücke Koji-Seife auf einer Holzplatte, umgeben von verstreuten Körnern und einem grauen Tuch, verkörpern die Essenz von Grüne Kosmetik.

Hört sich an, als wären die Produkte super vielseitig. Was ist dein bisheriges Meisterstück?

Ich finde alle meine Rezepte genial. (lacht) Allerdings habe ich mit meiner Kollegin Sirka, Fermentista von Wild und Wunder, eine Seife herausgebracht mit fermentiertem Koji. So heißt sie auch: Koji. Das war schon ein besonderer Moment.

Wenn man von dir lernen will, wo findet man dich?

Bei meinen Online-Workshops oder live in Wien. Ich organisiere auch gerade zum zweiten Mal die DIY-Naturkosmetik Tage, unter dem Thema Happy-Age + Sonnenpflege + Seife, die vom 27.- 29.04.2022 online stattfinden und bei denen eine Vielzahl an unterschiedlichen Naturkosmetik-Expert*innen ihr Wissen teilen. Ansonsten findet man alle Infos auf meiner Website oder auf meinem Instagram-Kanal.