David Witzeneder ist CEO und Gründer der Firma wurmkiste.at. Alles begann als Student der Agrarwissenschaften, als er in Wien lebte und sich ärgerte, dass er den Biomüll aus Mangel an Alternativen in den Restmüll werfen musste. Für seinen Prototypen der Wurmkiste interessierten sich sofort Freunde und Bekannte. Mittlerweile stehen seine Wurmkisten in ca. 7.000 europäischen Wohnungen.

Wie sieht Ihr Alltag gerade aus?
Eigentlich ganz spannend. Ich setze gerade ein Projekt auf, in dem ich mit den Bauern der Umgebung auf ihrem Mist Würmer züchten möchte. Außerdem habe ich viele Zoom und Skype Meetings und verbringe viel Zeit im Garten.

Sie haben Agrarwissenschaften studiert – wie ist die Verbindung zur Wurmkiste?
In der Agrarwissenschaft lernt man Biologie, aber auch Ökonomie, wie man einen landwirtschaftlichen Betrieb führt. Ich habe mich sehr für technische Sachen interessiert und wollte ursprünglich in die Richtung erneuerbare Energie gehen. Wobei genau genommen die Würmer sehr viel mit erneuerbarer Energie zu tun haben.
Ich habe schon meine Bachelor-Arbeit zu diesem Thema geschrieben. Es ging vor allem darum, wie hoch das Potenzial für Wurmkompostierung in Wien ist und ob die Menschen Würmer in ihrem Wohnzimmer akzeptieren würden. In Wien landen jährlich ungefähr 172.000 Tonnen organisches Material im Restmüll. Mit Befragungen haben wir herausgefunden, dass das Potenzial bei ca. 50 % liegt. Also die Hälfte der Wiener würden Würmer in der Wohnung akzeptieren, das Potential liegt also bei ca. 85 Tonnen, die man gleich in der Wohnung zu Erde umwandeln könnte.
Momentan verwerten wir mit Wurmkisten ungefähr 0,3 %, wenn der Trend anhält, liegen wir bis Ende des Jahres bei 1 %, das ist schon eine ganze Menge.

In einer gemütlichen Werkstatt steht ein bärtiger Mann in einem hellgrünen Hemd und einem beigen Overall inmitten einer Ansammlung von Materialien und Werkzeugen. Inmitten des Durcheinanders schmiegt sich neben ihn ein Wurmbox-Komposter, der der Szene eine umweltfreundliche Note verleiht.

Wie war die Entwicklung der Firma?
Vor ungefähr acht Jahren hatte ich das erste Mal mit diesem Thema zu tun, die Firma gibt es jetzt seit fünf Jahren. Der erste Prototyp war schnell gebaut, aber ganz entscheidend für die Entwicklung war, dass mein Bruder Thomas Tischler ist. In der ersten Zeit haben wir ständig die Wurmkiste an die Kundenwünsche angepasst. Mittlerweile fertigt ein sozialökonomischer Betrieb die Teile, wir machen nur noch die Endmontage und Kontrolle.

Wie finden Ihre Kunden zur Wurmkiste?
Wir haben ganz viele unterschiedliche Kanäle, das Meiste online. Blogbeiträge, unsere Website, Workshops, ganz viel Mundpropaganda, Messen. Wir hatten sogar einen Spot in alternativen Kinos laufen. Das hat sich auch stark gewandelt über die Jahre. Zu Beginn gab es ungefähr 100 Suchanfragen zu Wurmkiste im Monat. Das ist jetzt ganz anders – Wurmkisten sind zu einem Thema geworden.

Gibt es den typischen Kunden?
Bei einem unserer Workshops war neulich ein 16-jähriger Teenager, der sich sehr für Zero Waste interessiert. Letzte Woche hatten wir eine Anfrage von einer 80-jährigen Frau, die sich informiert hat. Es gibt also keinen typischen Kunden.

Wurmbox-Kompostbehälter aus Holz, randvoll mit Gemüseresten und Essensresten, auf einem Holzboden platziert.

Wie viele Wurmkisten gibt es schon?
Wir haben 7.000 Wurmkisten in Betrieb. Wir gehen davon aus, dass es ungefähr 4-5 mal mehr Kisten gibt, also ca. 35.000 Haushalte im deutschsprachigen Raum. Das ist schon eine Menge, aber es gibt noch Luft nach oben.

Sind Wurmkisten nur für den privaten Gebrauch gedacht?
Nein, viele Betriebe haben Wurmkiste: Hotels, Büros, Restaurants, sogar das Steirereck in Wien hat eine. Momentan arbeiten wir an einem größeren Projekt für ein Bürogebäude mit 200 Mitarbeitern. Es gibt auch finanzielle Anreize, weil man sich die Kosten für die Biomüll-Entsorgung spart. Es gibt also unterschiedliche Dimensionen.

Wäre es möglich, dass Wurmkisten ein integraler Bestandteil der Küche werden?
Dafür ist das Thema noch nicht ausreichend bekannt, aber wer sich selber eine Küche baut, könnte eine Wurmkiste gleich berücksichtigen.

Biomüll am Tag 0

Nahaufnahme eines Wurmbox-Komposters mit geschreddertem Papier, Gemüseschalen und Obstresten, wodurch eine reichhaltige Mischung aus organischen Abfällen entsteht.

Was ist denn ein Urban Worm Bag?
Der Urban Worm Bag ist – wie der Name schon sagt – ein Sack, der in einem Gestell hängt. Da passt natürlich viel mehr Biomasse hinein, jeden Tag 2 kg. Das Café Propeller im 5. Bezirk in Wien hat Worm Bags im Keller stehen. Das ist für größere Mengen ideal oder auch für Leute, die mehr Platz zur Verfügung haben, wie eine Garage oder einen Keller. Man muss nur darauf achten, dass die Temperatur nicht unter null Grad fällt. Die ideale Temperatur ist zwischen 15 und 25 Grad. Dann vermehren sich die Würmer gut und fressen am meisten. Darüber oder darunter werden die Prozesse langsamer. Eine Wurmkiste kann man auch gut am Balkon stehen haben, aber wenn es kühler wird, spätestens im November sollte man sie in die Wohnung holen.

Beim Verrotten zusehen – was löst das bei den Menschen aus?
Es gibt ein paar interessante Phänomene, wenn man eine Wurmkiste hat.
Zum einen schaut man öfters nach, wie es den Würmern geht. Diese geschlossene Kiste löst eine Faszination aus – dann man weiß, da drinnen geht etwas vor sich. Etwas fällt zusammen, etwas anderes entsteht neu.
Ein anderes Phänomen ist, dass die Menschen automatisch gärtnern. Entweder haben sie bereits einen Balkon mit Pflanzen und verwenden die Wurmerde dafür. Oder es ist umgekehrt. Die Wurmkiste ist zuerst da und die Menschen wollen mit der Erde etwas Sinnvolles machen und fangen zu gärtnern an. Man kommt automatisch in diesen Kreislauf hinein.
Der Prozess ist natürlich auch für Kinder sehr spannend und interessant.

Biomüll am Tag 14

Nahaufnahme eines Wurmbox-Komposthaufens, der von Kompostwürmern, verrottender organischer Substanz und sichtbaren Pflanzenresten wimmelt.

Bekommt man ein natürlicheres Verhältnis zu Biomüll?
Es geht uns immer darum, dass Biomüll kein Müll ist. Das Wort ist falsch. Es ist vielmehr eine Ressource. Es soll ein Punkt erreicht werden, indem man den Wert erkennt. Das ist MEIN Biomüll und der ist etwas wert.
Wir machen auch gerade ein künstlerisches Projekt, ein großes Poster, auf dem wir zeigen wie wichtig Würmer in unserem Kreislauf sind. Wir sind auch Teil eines Kreislaufes. Auch Fäkalien sind streng genommen eine Ressource. Obwohl das natürlich die meisten Menschen abschreckt. In der Schweiz haben wir uns neulich ein interessantes Projekt angesehen, das damit arbeitet.

Biomüll am Tag 21

Nahaufnahme der reichhaltigen, dunklen Wurmbox-Komposterde mit sichtbaren kleinen Stöckchen und überall verstreuten organischen Abfällen.

Was sind eure Erfahrungen mit Bioplastik?
Das ist ein heikler Punkt. Der Begriff Bioplastik trifft nicht zu, da es kompostierbares Plastik auch aus fossilen Rohstoffen gibt. Wir können nur sagen, dass wir mit kompostierbaren Plastik, das aus Holzfasern hergestellt wurde, gute Erfahrungen gemacht haben. Es hat sich aufgelöst. Aber im Grunde wissen wir nicht, was im Plastik genau drinnen ist, das verrät kein Hersteller.

Was ist eure Botschaft?
Wurmkompostierung hat ein großes Potenzial und ist ein einfacher Beitrag, den jeder leisten kann. Dann kann der Verwertungsprozess gleich im Wohnzimmer stattfinden. Auch wenn man den Biomüll in die Biotonne gibt – es muss trotzdem ein LKW kommen, der es zur Kompostieranlage bringt. Die Leute fahren dann hin und kaufen die Erde. Aber eigentlich kann man das selbst ganz einfach in die Hand nehmen.

Die hölzerne Aufbewahrungsbox Wurmbox mit gepolstertem Deckel auf Rollen steht auf einem Holzboden und lädt zu Kreativität und Ordnung ein. Obenauf liegt ein Buch, das darauf wartet, die nächste geniale Idee zu inspirieren.

Wollt ihr noch mehr wissen, dann schaut mal auf Wurmgeflüster rein.
Das Wurmkiste-Team sucht übrigens derzeit Verstärkung. Vielleicht ist das ja genau der richtige Job für euch.