Seit 2010 befindet sich in der Spiegelgasse 23 des Ersten Wiener Gemeindebezirks die erste Holzofenbäckerei der Stadt, die den Nachnamen des Gründers trägt – Gragger & Cie. Helmut Gragger ist der Bäckermeister und Unternehmer, der mit seinem 25-köpfigen Team mittlerweile an vier Standorten der Bundeshauptstadt Brot bzw. Gebäck in Bio und mitunter Demeter-Qualität anbietet.

Helmut Gragger in seinem Element des Brotbackens. © Holzofenbäckerei Gragger & Cie/Lukas Lorenz

Zwei Bäcker in einer Küche; einer lächelt in die Kamera, während er den Teig formt und die Kunst des Brotbackens meistert, und der andere konzentriert sich darauf, das Gebäck auf einem Tablett anzuordnen.

Wir treffen uns zweimal – einmal vor Ort in der Spiegelgasse und einmal auf digitalem Weg, auch, weil er aktuell in Nigeria ist. Der Grund für seinen Aufenthalt in Westafrika sei einerseits auf das generelle Interesse an unterschiedlichen Kulturen zurückzuführen und andererseits, um die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Charakteren zu erleben. Dies sei seine Art die Welt zu entdecken und gleichermaßen sei es der Antrieb, durch das Brotbacken die Welt zu verändern. Seit 2015 lässt er Begeisterung, Erfahrung und vernetztes Wissen unternehmerischer Natur in Schwellen- und Entwicklungsländern wie Uganda, Kongo, Senegal oder eben Nigeria, einfließen. Die Idee ist die, dass durch sogenannte „Mikro-Bäckereien“, die zu Nahversorgern werden, gleichzeitig jene für Arbeits- und Ausbildungsplätze in benachteiligten Regionen sorgen.

Das Gespräch mit ihm lässt erkennen, dass für ihn der ganzheitlich nachhaltige Zugang, der wirtschaftliche, soziale und umweltfreundliche Aspekte insbesondere betrifft, von zentraler Wichtigkeit ist. Nachhaltigkeit sei für Gragger ein ständiger Prozess, der ihn stets beschäftigt. Dies zeigt sich beispielsweise in der Akribie des technischen Bereiches der selbstentwickelten Backöfen wieder: „Sie sind sehr robust, langlebig und nicht wartungsintensiv.“ Der Vorteil sei es, sowie er ergänzt, dass das System, das sein Team und er entwickelt haben, es auch kleineren Einheiten ermöglicht, wirtschaftlich zu überleben. „In Afrika ist die Entwicklung gegeben, dass die Bäckereien immer größer und größer werden und die Kleinen immer mehr verschwinden. Das hat vor allem mit der technischen Abhängigkeit zu tun.“ Durch jene technische Unabhängigkeit könne der Kalkulationsfaktor Energie, der 30-40 % ausmache, effizienter gestaltet werden. 10 % fielen auf Personalkosten an. Der Dritte entscheidende Faktor sei der Rohstoff selbst – das Mehl. Jenes mache 40-45 % aus.

"Die Lösung ist nicht nur im Westen zu finden, dies kann nur global gelöst werden."

Helmut Gragger

Als Nachsatz fügt Gragger hinzu, dass Nachhaltigkeit nur global gelöst werden könne. Seiner Meinung nach sei ein Zusammenrücken und das Verständnis unterschiedlicher Zugangsweisen unterschiedlicher Länder entscheidend, um die Klimakrise abzuwenden: „Die Lösung ist nicht nur im Westen zu finden, dies kann nur global gelöst werden.“

Wien könnte ganz Graz mit Brot versorgen

Wir kommen auch auf einen Ausschnitt des mehrfach ausgezeichneten Kinofilms von Erwin Wagenhofer „We feed the World“ zu sprechen, in dem dokumentarisch festgehalten wird, wieviel Brot in Wien jeden Tag weggeschmissen wird, mit dem täglich ganz Graz ernährt werden könnte: „Ich kann nur sagen, was wir machen und wie wir versuchen, das Wegschmeißen von Brot zu vermeiden.“ Dies fände einerseits durch die Zusammenarbeit mit einem Bauern, der dies für seine Schweinezucht verwendet, durch die Vinzi Rast (Obdachloseneinrichtung) und die Wiener Tafel (Österreichs ältester Umwelt- & Sozialverein) statt. Es sei nach seiner Betrachtung die Verantwortung der gesamten Gesellschaft. Er habe auch zu einem gewissen Grad Verständnis für die großen Betriebe, da ein hoher Druck gegeben sei, dass am Abend noch eine Vielzahl an unterschiedlichen Lebensmitteln angeboten werden, weil der Konsument dies schlicht und ergreifend nicht anders akzeptieren würde. „Wir wollen am Abend ebenso diese Sichtbarkeit haben mit der Vielfalt an Brot und Gebäck. Dies sieht man bei den konventionellen Betrieben noch viel offensichtlicher.“ Um den wirtschaftlichen Gedanken des Produzenten erkennbarer zu machen, bringt Gragger jenes Beispiel hervor: „Wenn ein Bäcker um eine Maschinensemmel mehr verkauft, kann er in etwa drei Semmeln wegschmeißen. Das ist dann immer noch ein Geschäft.“ Entscheidend sei der Umgang von uns allen. Im Ausland, wie er es beispielsweise aktuell auch in Nigeria beobachte, sei dem Brot ein ganz anderer Wert beigemessen. Er sei überzeugt und hoffe, dass sich diesbezüglich die nächsten Jahre etwas im Bewusstsein verändern wird. Sein Zugang sei es, sich Prozesse anzusehen und herauszufinden, wie er die für ihn Geeigneten in die Wege leiten kann.

Ursprünglichkeit & Pläne

Nach diesen zwei Begegnungen bekomme ich einen Hauch einer Ahnung, warum die Bäckerei zu einer `Institution` in der Landeshauptstadt geworden ist – das scheint mir vor allem primär auf Helmut Graggers offene, geerdete und interessierte Art im Allgemeinen zurückzuführen zu sein. Es überrascht mich kaum, dass er mitten in unserem Gespräch spontan einer obdachlosen Dame beim Tragen ihrer Taschen hilft oder indem er mir begeistert seine Backstube zeigt und Holzscheiten in den Backofen so nebenbei nachlegt. Seine Passion und ganzheitliches Wissen zeigen sich geschmacklich in den köstlich ehrlichen Endprodukten wieder.

Ein vielfältiges Angebot für unterschiedliche Geschmäcker wird in den Morgenstunden per Hand in Form gebracht. © Gragger

Menschen kneten und formen kleine Teigstücke auf einer bemehlten Holzfläche und sind ganz in die Kunst des Brotbackens vertieft. An der Seite sind Reihen von Teigbällchen aufgereiht, was die Hingabe an dieses traditionelle Handwerk zeigt.

„Die ursprünglichste Art des Backens ist für mich, dass der Rohstoff, den ich regional zur Verfügung habe, nicht behandelt worden ist und dass ich am Ende des Tages ein gutes Produkt anbiete.“ Er sei überrascht, dass in Nigeria die Menschen kaum glauben können, dass er ohne chemische Zusatzstoffe wie Backmittel, solch ein Brot backen könne.

Er wäre nicht Helmut Gragger, hätte er nicht schon ein nächstes Vorhaben. Brot aus einem solarbetriebenen Ofen zu backen – eine Idee, die ihn schon länger begleitet, er bereits patentieren hat lassen und nun mit seinem Neffen, der dies in seiner Masterarbeit an der Uni Linz weiterentwickelt hat, umsetzen möchte – ein weiteres Kapitel rund um den Bäckermeister Helmut Gragger, auf das vermutlich noch einige weitere folgen werden.

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