Alle Welt schaut bei Klimaprotesten auf Fridays for Future. Doch auch die Bundesjugendvertretung macht sich für den Klimaschutz stark. Tom Rottenberg hat Maria Lettner, Referentin bei der österreichischen Bundesjugendvertretung, zum Interview getroffen. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem die Klimaschutzaktivitäten der gesetzlich verankerten Interessenvertretung aller Unter 30-Jährigen in Österreich. Die Bundesjugendvertretung ist Teil der österreichischen Sozialpartnerschaft und hat 59 Mitgliedsorganisationen aus dem Bereich außerschulische Kinder- und Jugendarbeit.
Die Breite und die Verzahnung mit politischen Dach- oder Mutterorganisationen spiegelt sich oft auch in der Schärfe, Milde oder Intensität, mit der die „erwachsene“ Politik kommentiert oder kritisiert wird, wider. Umso auffälliger war es, als die Bundesjugendvertretung Ende September – anlässlich des weltweiten Klimastreiks die Österreichische Klimapolitik – scharf kritisierte: „Die Politik muss vom Reden endlich ins Tun kommen und auch beim Klima in den Krisenmodus schalten“, hieß es da – und weiter: “Weitere Verzögerungen beim Klimaschutz sind höchst fahrlässig. Es braucht dringend konkrete Beschlüsse und ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz.“
Maria, worum geht es eurer Klimakampagne #timeforchange?
Die Bundesvertretung setzt sich in den letzten beiden Jahren verstärkt für das Klima ein. Wir glauben, dass es eine Kampagne mit speziellem Fokus darauf braucht, was junge Leute wollen, weil die Jungen viel zu wenig berücksichtigt werden. Die Kampagne hat vier Schwerpunktthemen: Energie, Mobilität, Konsum und Beteiligung – wobei sich Beteiligung als Querschnittsthema durch alle Bereiche zieht.
Was uns von anderen Klimaschutzinitiativen oder öffentlichkeitswirksamen Aktionen unterscheidet:
Wir betonen zwar, dass es wichtig ist, dass jede:r Einzelne etwas tut und damit Teil der Lösung wird, müssen aber doch darauf hinweisen, dass die großen Hebel nur durch politische Entscheidungsträger*innen umgelegt werden können.
Also dass es um Rahmenbedingungen geht: Wenn ich einem jungen Menschen am Land erzähle, er solle weniger mit dem Auto fahren, ist das schön und gut – aber wenn es die Öffis einfach nicht gibt, sinnlos und unnötig.
Unsere Zielgruppe sind einerseits die jungen Menschen, weil wir ihnen zeigen wollen, dass politisches Handeln eine Option ist. Aber auch alle politischen Entscheidungsträger:innen, denen wir vermitteln, dass junge Menschen nicht nur die Zukunft, sondern auch die Gegenwart sind – es muss also jetzt schon etwas in ihrem Sinne passieren.
Hat das die Politik wirklich noch nicht verstanden?
Teile, um es diplomatisch zu sagen. Aber etliche glauben immer noch, dass ein bisserl Bremsen ausreicht, dass der Aufprall schon nicht so arg wird.
Wir sagen ganz klar, dass wir mit voller Geschwindigkeit auf eine Wand zufahren. Ich glaube, dass die Dringlichkeit des Themas in der Politik noch immer nicht angekommen ist.
Deshalb habt ihr zum Klimastreik diese harsche Aussendung gemacht. All das wird seit über zwei Jahren von einer jungen Dame namens Greta Thunberg sehr laut und deutlich gesagt. Und im Frühjahr 2020 kommt auch die österreichische Bundesjugendvertretung drauf. Ist das nicht etwas spät?
Wir haben uns auch selbst gefragt, ob wir nicht zu spät dran sind. Ob es diese Kampagne auch noch braucht. Aber was wir oft im Alltag unserer Arbeit mitkriegen: Ministerien wollen was mit der Jugend machen. Fridays for Future sind eine Bewegung. Das hat gegenüber einer Organisation den Vorteil, dass Entscheidungswege nicht lang sind und man sich niederschwelliger beteiligen kann. Die Bundesjugendvertretung aber ist ein Konstrukt aus Mitgliedsorganisationen und nur wer in einer Mitgliedsorganisation aktiv ist, kann im Vorstand sein.
Wir haben 59 Mitgliedsorganisationen – und durch diese Breite bringen wir eine Repräsentation mit, die uns qua Gesetz auch zugestanden wird: Wir sind die Interessenvertretung aller Menschen von 0 bis 30.
Es ist also plausibel und legitim, Leute von den ‚Fridays‘ einzuladen – aber auf lange Sicht ist das zu wenig. Weil man es da vielleicht jedes Mal mit jemand Neuem zu tun hat und mit allem wieder vorne anfangen muss.
Und das ist bei euch anders?
Ja. Auch, weil wir in Jugendfragen sozialpartnerschaftlichen Status haben. Man kann uns auch längerfristig einbinden. Nicht nur in Arbeitsgruppen, sondern auch in Prozessen. Das macht einen großen Unterschied aus und das haben wir auch gemerkt: wir stoßen mit unseren Kampagnen auf sehr offene Ohren.
Fridays for Future hat sich einmal mit dem Kanzler getroffen – und da war dann die Ernüchterung groß, dass mit einem Gespräch nicht alles geritzt und erledigt ist:
Uns fällt es leichter, in Gremien und in institutionellen Zusammenhängen konsequenter dranzubleiben und lästig zu sein.
Der offizielle Apparat, die Gremien: Ihr seid der legitime Ansprechpartner für die Politik, für das „System“ – aber wissen die Jugendlichen überhaupt, dass es Euch gibt? Die demonstrieren mit den Fridays.
Ich glaube, es wird besser. Es gibt uns seit 20 Jahren. Und im Vergleich zu anderen Sozialpartnern sind wir sehr klein. Man kann uns auch nicht mit der Arbeiterkammer oder anderen Interessenvertretungen vergleichen – aber sogar bei der AK wissen viele Arbeiter:innen oder Angestellte nicht, dass sie von ihr vertreten werden: dieses Dilemma kennen wir.
Aber unser Bekanntheitsgrad bei Jugendlichen ist im Steigen, weil unsere Mitgliedsorganisationen das stärker transportieren.
Und wie sprecht ihr die Zielgruppe an?
Da ist #timeforchange ein gutes Beispiel: Wir versuchen, sie direkter anzusprechen. Etwa mit der Einladung zum Klimajugendrat im Dezember. Da kommen viele Anmeldungen – und da merkt man, dass es zieht, wenn man konkrete Angebote formuliert.
Beim Klimajugendrat wird der Nationalratspräsident und die Klimasprecher:innen der Parteien im Parlament mit Jugendlichen diskutieren. Besteht bei so etwas nicht die Gefahr, dass ein paar alte Politiker:innen Jugendlichen den Arm um die Schulter legen, ein Foto machen lassen – und das war es dann?
Wir haben reichhaltige Erfahrung – auch in größeren Prozessen, wenn es etwa darum geht, Themen zwischen nationaler und europäischer Ebene hin und her zu spielen: Beim „Europäischen Jugenddialog“ finden regelmäßig solche großen Veranstaltungen statt. Auch im Vorfeld von Wahlen haben wir immer wieder derartige Veranstaltungen organisiert. Jetzt eben zum ersten Mal gezielt zu Klimathemen. Da laden wir die Klima- und Jugendsprecher:innen der Fraktionen ein.
Der Dialog wird in kleinen Runden stattfinden, auf Augenhöhe.
Die Idee ist, dass wir nach einem halben oder dreiviertel Jahr bei den Abgeordneten nachfragen, was aus den Ideen, die da gesammelt worden sind, denn nun geworden ist. Oder wird.
Das wird dann an die Jugendlichen, die dabei waren, weitergegeben. Oder in andere Prozesse getragen. Es wird ja derzeit auch die „Klima Dialog Strategie“ des Klimaministeriums geben oder andere Initiativen: Überall, wo der Output des Klimajugendrats einfließen kann, werden wir ihn auch einbringen.
Ich zitiere aus eurer Aussendung: „Die Lösungen für viele Probleme in Sachen Klima liegen bereits auf dem Tisch – nun gilt es diese endlich umzusetzen.“ Das Schlüsselwort lautet „endlich“: Ist die Zeit für Diskussionen und für das Abwarten, was nach einem Dreivierteljahr draus wird, nicht vorbei?
Die Frage zielt darauf ab, ob es radikalere Maßnahmen und zivilen Ungehorsam bräuchte. Für eine Organisation, die so breit aufgestellt ist wie die Bundesjugendvertretung, ist so etwas schwierig. Unsere Grundhaltung ist, dass es mehr Kommunikation, mehr Dialog braucht. Da glauben wir, dass wir etwas beitragen können.
Ist das Thema „Klima“ eigentlich bei allen Jugendorganisationen gleich präsent?
Es gibt Nuancen. Bei manchen Organisationen geht der Fokus stärker auf die individuelle Ebene, im Sinne von „alle müssen was beitragen und die Politik kann nicht alles richten“. Die tendenziell progressiveren Organisationen wollen Forderungen mehr an die Politik richten und setzen den Fokus auch auf soziale die Komponente, nicht nur die ökologische.
Wie ist denn Euer Verhältnis zu den Fridays? Ist da Rivalität oder Symbiose?
Vom ersten Klimastreik an hat die Bundesjugendvertretung immer laut und öffentlich gesagt, dass es super ist, wenn so etwas direkt von jungen Leuten kommt, wenn sich junge Leute auf die Füße stellen, wenn sie etwas organisieren. Wir haben immer versucht, die Aktionen der Fridays mitzutragen. Aber es ist auch ganz klar, dass das keine Jugendorganisation per Definition ist, sondern etwas Anderes. Eine Bewegung. Das hat eine andere Qualität und spricht auch andere Leute zusätzlich an, als es eine Bundesjugendvertretung kann.
Das ist ein anderes Level: Auf der Straße, sehr nahbar – und die Bundesjugendvertretung, die es nur in einem Büro in Wien gibt und die viel stärker im Hintergrund, also in politischen Gremien und so weiter, arbeitet: das sind verschiedene Welten. Aber den Austausch gab es von Anfang an: Die wissen, was wir leisten können – und wir wissen, was ihre Stärke ist.
Da gibt es null Konkurrenz. Die kommt höchstens von außen:
Weil man der Politik klar machen muss, dass es nicht genügt, einmal mit jemandem von den Fridays gesprochen zu haben, um behaupten zu können „die Jugend“ an Bord zu haben.
Da verweisen die Fridays auf uns und wir auf sie: Gemeinsam kriegen wir das ganz gut hin.
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