Bürger*innen wenden sich zunehmend an Gerichte, um für wirksamen Klimaschutz zu kämpfen. Was können Klimaklagen bewirken? Ein Blick auf einige prominente nationale und internationale Beispiele gibt Einblick in die juristischen Möglichkeiten, um Klimaschutz-Versprechen rechtlich einzufordern. 

Ein Rückblick auf den 20. Februar 2020: Die Klimawissenschaftlerin Helga Kromp-Kolb, Bio-Bauer Gerhard Zoubek, Klimaaktivistin Veronika Winter, Greenpeace Geschäftsführer Alexander Egit und Anwältin Michaela Krömer versammeln sich auf der Freyung vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof. Sie rollen ein über 10 Meter langes Banner mit 8.060 Namen aus. Jeder einzelne Name repräsentiert dabei eine/n Österreicher*in, die zusammen mit ihnen die erste Klimaklage vor einem österreichischen Gericht einbringen. Die Klimakläger*innen beanstanden, dass es in Österreich nach wie vor Gesetze gibt, die klimaschädliches Verhalten begünstigen und dadurch die Klimakrise weiter anheizen. So gibt es keine Steuer auf Kerosin, sehr wohl aber auf den Bahnstrom – und das, obwohl Fliegen gleich 31x klimaschädlicher ist als eine vergleichbare Zugreise.

Die Klimakrise bedroht zunehmend unser Recht auf eine gute Zukunft.

Extremwetter wie Hagel und Dürren zerstören unsere Ernten, Hitzeperioden bedrohen unsere Gesundheit  – die Klimakrise greift schlichtweg unsere grundlegenden Menschenrechte an. Der Staat bleibt hingegen untätig und verabsäumt es somit, mit ausreichenden Klimaschutzmaßnahmen seine Bürger*innen zu beschützen. Ein halbes Jahr nach Einreichung fällt der Verfassungsgerichtshof die Entscheidung: die Klimaklage wird aus formalen Gründen abgewiesen, allerdings mit kaum nachvollziehbaren Argumenten. Unter anderem wird beanstandet, dass nur Flugpassagiere von dem Gesetz betroffen wären und es deshalb einklagen könnten. Und das, obwohl gerade Nutzer*innen der Bahn besonders benachteiligt werden.

Klimaklage 2021

Doch Klimaklage-Anwältin Michaela Krömer gibt nicht auf. Zusammen mit dem Klimakläger Mex M. zieht sie mit einer neuen Klimaklage weiter zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mex M. ist an Multipler Sklerose erkrankt – genauer an einer Form, die ihm an heißeren Tagen seine Bewegungsfähigkeit immer weiter einschränkt. Wenn es sehr warm ist, ist Mex M. auf einen Rollstuhl angewiesen, das ist bei immer mehr Hitzetagen im österreichischen Sommer für Mex ein großes Problem. Er kämpft nun für mehr Klimaschutz – für sich, aber auch für alle Menschen, die unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden. Mehr Informationen zur aktuellen Klimaklage gibt es im Interview mit Michaela Krömer.

Michaela Krömer klagt mit Mex M. vor dem Menschengerichtshof.

Zwei Menschen in Business-Kleidung stehen mit verschränkten Armen vor einer Wand mit dem Emblem eines Adlers und symbolisieren damit ihr unerschütterliches Engagement, ganz ähnlich wie die entschlossenen Verfechter der Klimaklage-Bewegung.

Die Klage von Mex M. ist allerdings nicht die erste Klimaklage, die zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gelangt. Im Herbst 2020 marschierten die Schweizer Klima-Senior*innen in Straßburg auf. An drei Gerichten war ihre Beschwerde in der Schweiz bereits abgewiesen worden. Sie argumentieren vor Gericht, dass die Klimakrise gerade ältere Menschen – eben Senior*innen – besonders hart trifft und sie ein Recht auf Schutz vor zunehmender Hitze haben. Doch nicht nur die ältere Generation, auch die Jugend greift zum Rechtsmittel der Klimaklage: Sechs junge Portugies*innen werfen 33 europäischen Staaten vor, durch fehlende Klimaschutzmaßnahmen ihre Zukunft zu gefährden. Die Klage wurde bereits beim EGMR zum Schnellverfahren zugelassen. Das Urteil könnte auch für die österreichische Klimaklage vor dem EGMR wegweisend sein.

Klimaklagen weltweit

Auf nationaler Ebene konnten bereits erfolgreiche Klimaklagen auf den Weg gebracht werden. Aufgrund einer Klage der Organisation Urgenda in den Niederlanden mussten die dortigen Gerichte anerkennen, dass das Land mit seinen Klimaschutzmaßnahmen stark im Verzug war. Das bestehende Ziel des Staates, die Emissionen um 17% (von 1990 bis 2020) zu reduzieren, wurde vom Gericht als unzureichend eingeschätzt, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Das Gericht in Den Haag wies den niederländischen Staat an, die Treibhausgasemissionen bis 2020 auf 25 % unter dem Niveau von 1990 zu begrenzen.

Und auch die französische Klimaklage schlug Wellen: Über 2 Millionen Französinnen und Franzosen hatten sich an der Klimaklage vor einem Pariser Gericht beteiligt und über zig Seiten wissenschaftliche Fakten zur Klimakrise und der Untätigkeit des französischen Staates dargelegt. Das Gericht gab den Kläger*innen Recht. Im Frühling 2021 wird das Gericht nun auch entscheiden, ob es den Staat Frankreich zu Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet.

Weltweit haben Klimaklagen das Potenzial, Klimaschutz voranzutreiben.

Nicht zuletzt durch die jahrzehntelangen leeren Versprechungen von Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen wendet sich die Klimabewegung nun weltweit an die Gerichte, um endlich verbindliche Entscheidungen zu erwirken. Dabei trifft sie oft auf veraltete Strukturen und ist mit langjährigen Prozessen konfrontiert. Gerade mit Blick auf den kurzen Zeitraum bis zur drohenden Klimakatastrophe kann das zermürbend wirken. Beispiele wie in den Niederlanden und Frankreich geben jedoch Hoffnung. Sie zeigen, dass Klimaklagen ein weiteres wichtiges Instrument im Kampf für mehr Klimaschutz geworden sind.