Seit 26. April ist er also da: der bundesweite Reparaturbonus nach Wiener Vorbild. Beim auf-Vordermann-Bringen eines Elektro- oder Elektronikgeräts bekommen Privatpersonen 50% der Reparaturkosten bezahlt, bis zu 200 Euro pro Reparatur. Eine Höchstanzahl an Reparaturen pro Person gibt es nicht. 130 Millionen Euro an EU-Geldern stehen bis 2026 zur Verfügung. Auf www.reparaturbonus.at lässt sich die riesige Bandbreite an geförderten Geräten einsehen, ebenso die teilnehmenden Reparaturstellen, sowie der Reparaturgutschein herunterladen. Das alles der Umwelt zuliebe. Kund:innen sparen Geld und Betriebe können ihre Kundschaft erweitern. Eine gute Sache also?

Ebenso fraglos wie für manch eine:n überraschend haben Reparaturen durchaus einen außerordentlichen Einfluss auf die Umwelt. Oder eher: Sie verhindern einen außerordentlichen Einfluss. Das französische Umweltministerium kommt in einer Studie zum Schluss, dass jeder Haushalt durch Reparaturen in einem Zeitraum von 10 Jahren 500kg Kohlenstoffdioxid einsparen könnte. Eine Analyse des Europäischen Umweltschutzbüros zeigt: Würden alle Waschmaschinen, Notebooks, Staubsauger und Smartphones in der EU ein Jahr länger halten, würde das jährlich rund 4 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Eine Menge äquivalent derer, die 2 Millionen Autos im selben Zeitraum ausstoßen. Merke: Die Rede ist von lediglich 4 verschiedenen Produkten. Einmal mehr deckt sich das mit der Beobachtung, dass der Anteil des Verkehrs am Klimawandel oftmals überschätzt wird.

Reparieren ist sicherlich ein guter und wirkungsvoller Ansatz, allerdings ein zu wenig weit gegriffener. „Jetzt müsste man nur noch die Hersteller dazu verpflichten, Geräte erstens sowieso langlebiger zu machen (geplante Obsoleszenz) (…) und zweitens reparierbar: Viele Geräte sind verklebt oder vernietet, im besten Fall mit exotischen Schrauben verschraubt (…) .“, bemängelt eine Standard-Userin. Sie hat recht. Viele von uns denken jetzt an eigene Erfahrungen in der Familie: Großmutters Geschirrspüler, der seit einem halben Jahrhundert tapfer dient, während der eigene nach wenigen Jahren ausgedient hat. Die Waschmaschine, die Generationen hindurch gewaschen hat, bis sie schließlich ersetzt werden musste, die neue schnell den Geist aufgab. „Built to last“ ist heute ein Fremd-Sprichwort.

Vielmehr scheint es, dass sich die Schnelllebigkeit unserer Zeit und unseres gesamten Lebens auch in unserem Konsum widerspiegelt.

„Kunden in den Industrie- und zunehmend auch in den Schwellenländern rennen ja blind in Konsum-Hamsterrädern jeder technischen Innovation hinterher.“, hält Deutschlandfunk fest. Ein vergleichsweise neuartiges Phänomen: Dinge leichtfertig zu ersetzen, nahm erst vor 50 Jahren seinen Anfang. Und die Reparierbarkeit lässt heutzutage auch zu wünschen übrig, liegt es doch im Interesse der Hersteller:innen, möglichst viele Neukäufe zu verzeichnen. Dem Ziel des nimmeraufhörenwollenden Konsums folgend wird nicht nur das Reparieren bestmöglich erschwert, es wird auch an manch anderen Schrauben gedreht. Teils an gefinkelten, teils an illegalen. VW kam vor einigen Jahren auf die glorreiche Idee, alle Steuergeräte an die Fahrgestellnummer zu koppeln. Heißt: Ist ein Steuergerät kaputt, kann man kein neues einbauen, sondern muss ein neues Auto kaufen. Im Rückschluss kann man nach der Ausmusterung eines Wagens das möglicherweise intakte Steuergerät nicht weiter verwenden. Eine andere Schraube wurde oben schon zitiert: Geplante Obsoleszenz ist das absichtliche kaputt-werden-Lassen von Produkten. Eine leider allzu häufige Unverschämtheit. Das Wiener Reparaturnetzwerk empfiehlt, sich beim Kauf eines Gerätes fachmännisch beraten zu lassen, um solcherlei üble Überraschungen zu vermeiden. Qualität zahlt sich eben auch aus.

In einer Wegwerfgesellschaft, wie wir es sind, ist ein Reparaturbonus wohl eine wohlgemeinte Idee, dessen Wirkungskraft hier auch nicht abgestritten werden soll, aber zu wenig. Warum auf Elektro- und Elektronikgeräte beschränken? Warum nicht gleich die Langlebigkeit von Produkten erhöhen? Und nicht zuletzt: Warum nicht unsere Einstellung ändern? Zugegeben, letzteres fällt eher weniger in den Zuständigkeitsbereich der Politik. Aber wir kommen wohl nicht drum herum, unser kollektives Bewusstsein zu schärfen. Gegen die Wegwerfgesellschaft kommen wir ohne ein Überdenken der Wegwerfmentalität nicht an.

Quellen:

https://www.derstandard.at/story/2000134997829/reparaturbonus-fuer-altgeraete-startet-am-26-april

https://www.wko.at/branchen/w/gewerbe-handwerk/Reparaturbonus-2022-bis-2026.html

https://www.reparaturnetzwerk.at/betriebeliste?br=40

https://www.reparaturnetzwerk.at/geraete-mit-ablaufdatum-geplante-obsolessenz

https://runder-tisch-reparatur.de/reparieren-schont-die-umwelt-und-spart-geld/

https://www.deutschlandfunk.de/reparieren-macht-gluecklich-100.html

freizeit Ausgabe vom 04.06.2022