Cornelia Leitl studierte Handelswissenschaften und vermittelt Gewerbeimmobilien. Diese Tätigkeit führt sie seit Jahren quer durch Europa. Im Zuge dieser Reisen portraitierte die leidenschaftliche Fotografin auch vergessene Orte, die sie meist zufällig entdeckte. Da eine geplante Fotoausstellung 2020 nicht möglich war, erschien ihr Buch „VERGESSEN“ – eine Hommage an alte Gebäude und ein Appell historisches Kulturgut zu bewahren. Vor allem aber, nicht immer auf die grüne Wiese zu bauen. Das Interview führte Ulla Unzeitig.
Was fasziniert Sie an vergessenen Orten?
Mich fasziniert vor allem die Schönheit dieser Orte. Ich habe unterschiedliche fotografiert: Ein ehemaliges Rehabilitationszentrum, einen Kornspeicher, eine Fabrik, eine Kirche. Alle diese Orte sind nun verlassen, strahlen aber noch immer diese einzigartige Schönheit aus.
Ihr Buch liest sich wie ein Appell gegen das Vergessen.
Mit meinen Fotos möchte ich wachrütteln. Mein Anliegen fasse ich mit den Worten „aus Vergessen mach Leben“ zusammen. Aus all diesen Gebäuden lässt sich noch etwas machen. Manchmal liest man von Schlossbesitzern, die ihren Besitz über Jahre saniert haben. Natürlich muss man ein guter Kaufmann sein; man braucht Herz und Zeit dazu oder Geld, da sollte man sich nichts vormachen.
Woher kommt diese Leidenschaft sich für diese Orte zu engagieren?
Vermutlich aus meiner Kindheit. Mein Vater war Architekt und hat alte Gebäude gerettet. Zum Beispiel hat er einen historischen Turm der Befestigungsanlage um Linz gekauft und zu einem Wohnhaus umgebaut. Ich weiß noch, dass der Turm oben am Dach ganz viel Flugerde hatte. Man konnte fast ebenerdig auf das Dach hinauf gehen, als sie das alles heruntergeräumt haben. Das hat mich bereits als Kind fasziniert.
In welchem Zeitraum sind die Fotos entstanden?
Die Fotos sind aus den letzten drei Jahren. Mit einigen Besitzern stehe ich noch immer in regem Kontakt. Ich habe ja immer gefragt, ob ich die Objekte fotografieren darf. Das Schloss Trautmannsdorf in der Nähe von Bruck an der Leitha wurde von einem Projektbetreiber gekauft, der es zu einem Hotel umbauen möchte. Leider haben dort in der Zwischenzeit Vandalen gewütet und einen Teil des Daches abgefackelt. Das ist sehr schade, wenn so viel unnötig zerstört wird.
Welches der Projekte hat noch großes Potential?
Vielversprechend ist ein Kornspeicher aus dem 17. Jahrhundert in Obermühl. Er liegt direkt am Donauradweg und wäre vielleicht als Herberge mit Gastronomie zu nutzen; so ähnlich wie die Quartiere am Jakobsweg – einfach, aber charmant. Wenn man ein durchdachtes Sanierungs- und Finanzierungskonzept vorlegt, wäre der Kornspeicher sogar um einen symbolischen Betrag zu bekommen.
Für das ehemalige Rehabilitationszentrum in Feichtenbach habe ich Reha-Betreiber angesprochen, ob sie interessiert wären. Es ist das ehemalige „Sanatorium Wienerwald“ und war früher eine Lungenheilstätte und dann ein Hotel. Es liegt in einer wunderbaren Landschaft. Aber auch hier waren leider schon Vandalen am Werk und haben das herrliche Hallenbad und diverse andere Sachen komplett zerstört. Das ist auch ein Grund, warum ich in meinem Buch keine genauen Adressen angegeben habe.
Warum machen die Besitzer*innen nichts mit diesen Objekten?
Das ist sehr unterschiedlich. Vielleicht wurden manche vererbt und die neuen Besitzer*innen fangen nichts damit an. Es gibt auch eine zerstörte Kirche, was mich sehr wundert, da die Katholische Kirche normalerweise nichts verkommen lässt, aber vielleicht ist sie in Privatbesitz. Bei einigen Objekten sind schon Menschen am Werk. Die alte Ziegelei in der Nähe von Ulrichsberg, die ich auch fotografiert habe, wird jetzt ein Reiterhof.
Vor einem alten Bauernhaus haben Sie eine alte Frau fotografiert. Wohnt die dort noch?
Ja, das ist eines der wenigen Häuser in meinem Buch, die noch bewohnt werden. Das war in Kroatien und ich bin dort mit dem Auto vorbeigefahren. Ich konnte mich nicht verständigen, aber die Bewohner haben sich gefreut, dass ich stehen geblieben bin. Wie Familienbesuch wurde ich empfangen. Das nächste Mal als ich dort vorbeigekommen bin, ist ein Nachbar gekommen und hat gefragt, was ich da will. Aber dann hat er gesehen, dass ich Fotos von ihrem Haus mitgebracht habe. Jetzt bleibe ich jedes Mal dort stehen, wenn ich in Kroatien bin.
Sehen Sie Ihr Buch als Beitrag für den Klimaschutz?
Ich bekomme oft Zuschriften, in denen steht, dass sich Kinder für das Klima einsetzen. Natürlich stimmt das, aber man kann nicht sagen, dass alle anderen nichts machen.
Jeden Tag werden in Österreich über zehn Hektar verbaut – jeden zweiten Tag wird also die Fläche eines Kleinbauern versiegelt.
Man müsste dringend den täglichen Bodenverbrauch beschränken und leerstehende Industrie- und Gewerbeimmobilien revitalisieren. Angeblich haben wir in Österreich einen Leerstand von 40.000 Hektar – das ist doch ein riesiges Potential!
Buchtipp:
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