Susanne Wolf ist freie Journalistin und Autorin mit den Schwerpunkten Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit. Ihr Fokus liegt darauf, mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen. Was können wir anders, besser machen? Ihr Buch „Zukunft wird mit Mut gemacht“ ist voller Ideen für nachhaltige Veränderung und soll dazu anregen, selbst die Initiative zu ergreifen.

Susanne, was beschäftigt Sie gerade? Wie sieht Ihr Alltag aus?
Im Grunde das gleiche, was alle beschäftigt: Diese seltsame, herausfordernde Zeit. Ich bin gerade in meiner zweiten Heimat Bad Ischl – normalerweise lebe ich in Wien – und dieser Tapetenwechsel tut gut.

Wie beeinflusst die Krise Ihre Arbeit?
Meine tägliche Arbeit hat sich nicht sehr geändert, ich schreibe weiter über meine Themen, nur das Reisen fällt weg. Ich hätte geplant jetzt in Kopenhagen zu sein, von dieser Stadt kann man sehr viel über Nachhaltigkeit lernen. Es tut mir leid, dass das jetzt nicht möglich ist. Die Zeiten werden sich wieder ändern – hoffentlich zum Positiven, ich bin Grundoptimistin.

Sie legen großen Wert auf konstruktive Berichterstattung – was sagen Sie zu den Meldungen bezüglich COVID-19?
Ich finde, die Berichte sind viel zu einseitig und wenig vorausschauend. Täglich diese Zahlen zu Infizierten und Toten – ich lese das gar nicht mehr. Man sollte viel mehr darüber schreiben, wie es nun weitergeht, wie wir in Zukunft unser Wirtschaftssystem gestalten können. Ich vermisse ausführliche Berichte über die Zusammenhänge zwischen der weltweiten Umweltzerstörung und dem Ausbruch der Pandemie – und die logischen Folgen. Wir alle wissen, dass wir nicht weitermachen können wie bisher – es ist tatsächlich eine Chance für Veränderung.

Konstruktiver Journalismus will Probleme nicht ausblenden, aber er denkt weiter, macht sich auf die Suche nach Lösungen.

Sie plädieren für konstruktiven Journalismus. Was ist das überhaupt?
Der dänische Journalist Ulrik Haagerup, damals Infochef des dänischen Runkfunks, hat schon vor Jahren den Begriff des „konstruktiven Journalismus“ geprägt. Seine kritische Frage war: „Sehen wir die Welt mit beiden Augen oder nur mit dem Auge, das die beste Geschichte erzählen will?“
Er ortete in der Art der Medienberichterstattung den Grund, warum sich Menschen von Medien abwenden und hat mittlerweile ein Institut gegründet, um sein Wissen weiterzugeben, das „Constructive Institute“.

Was macht den Unterschied?
Im Journalismus gibt es die Regel „Only bad news is good news“. Die tägliche Berichterstattung ist geprägt von schlechten Nachrichten: Sie hinterlassen aber ein Gefühl der Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit. Das vermittelt den Eindruck, dass „wir eh nichts machen können“, um an der Lage der Welt etwas zu ändern. Das wollte ich nicht unterstützen. Der konstruktive Journalismus will zur Eigenverantwortung anregen und Mut machen: Deshalb heißt mein Buch auch „Zukunft wird mit Mut gemacht“. Konstruktiver Journalismus will Probleme nicht ausblenden, aber er denkt weiter, macht sich auf die Suche nach Lösungen.

Sie haben schon im Jahre 2015 einen TEDx Talk zum Thema „Konstruktiver Journalismus“ gehalten. Sehen Sie in unseren Medien eine Entwicklung?
Nach meinem TEDx-Talk wurde ich tatsächlich öfter zu Gesprächen und Workshops zu diesem Thema eingeladen. Ich habe beobachtet, dass zu dieser Zeit eine Art Hype stattgefunden hat. Typisch für die Medien: Abgesehen von wenigen Ausnahmen war es nach kurzer Zeit wieder vorbei. Man findet durchaus in der täglichen Berichterstattung auch konstruktive Ansätze, allerdings viel zu wenig, einzelne Artikel. Leider ist dieser Ansatz immer noch eine Nische.
Es gibt kritische Stimmen, die sagen, das ist keine Berichterstattung, sondern PR, wenn man über positive Beispiele berichtet. Ich finde, das hängt vom Thema ab: Warum soll ich nicht über ein Vorbild wie etwa Costa Rica berichten, das in Sachen Nachhaltigkeit sehr viel richtig macht? Wir brauchen in unserer herausfordernden Zeit Vorbilder.

Wie könnte man mehr Positivbeispiele in die News bekommen?
Zunächst einmal: Ich schreibe fast ausschließlich für Magazine, zum Beispiel für den „Konsument“ Berichte über Dienstleistungen oder Produkte. Da ist es gar nicht so schwierig, konstruktiv zu berichten, denn ich beleuchte die Hintergründe, in diesem Fall ausbeuterische Arbeitsbedingungen, zeige aber auch nachhaltige Alternativen auf. Bei meiner Arbeit steht immer der konstruktive Ansatz im Vordergrund.

Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit der Verantwortung der Medien aus?
Theoretisch gibt es einen journalistischen Ehrenkodex vom österreichischen Presserat. Dieser beinhaltet Regeln für die tägliche Arbeit der Journalist*innen, die die Wahrung der journalistischen Berufsethik sicherstellen. In der Praxis merke ich wenig davon, sonst dürfte es diesen reißerischen Ansatz in den Boulevardmedien nicht geben. Gerade in letzter Zeit hat man den Menschen medial bewusst Angst gemacht, das hinterfrage ich schon sehr kritisch. Als Journalistin und auch als Mensch habe ich ein sehr verantwortungsvolles Gewissen. Kritische Medien bekommen auch viel weniger Medienförderung, das ist nochmal ein anderes Thema.

Einer der wichtigsten Punkte in Ihrem Buch ist, dass wir aufhören müssen, uns als reine Konsumenten zu definieren. Was genau meinen Sie damit?
Uns ist viel zu lange eingeredet worden, dass wir mit unserem Konsum die Welt verändern können. Ich habe früher auch so gedacht. Deshalb handeln meine „Nachhaltig Leben“ – Bücher davon, wie wir als Konsumenten Entscheidungen treffen. Natürlich ist es ein Teil des Ganzen, bewusst zu konsumieren und sich immer wieder zu fragen: Was brauche ich wirklich? Wir sind jedoch nicht nur Konsumenten, sondern in erster Linie politische Bürger.
Es kann nicht sein, dass die alleinige Verantwortung auf die Konsumenten abgeschoben wird – in erster Linie müssen Hersteller in die Pflicht genommen werden. Dazu braucht es Gesetze, etwa in Form einer ökosozialen Steuerreform. Warum sind nachhaltige Produkte meist teurer als konventionell produzierte? Warum ist Fliegen günstiger als Bahnfahren? Jedem ist klar: hier stimmt etwas nicht. Ich nenne es „die verkehrte Welt“ – denn es müsste genau umgekehrt sein.

oekostrom AG: Ein blaues Buch mit großem gelben Text auf dem Einband mit der Aufschrift „Zukunft wird mit Mut gemacht.“ Der kleinere weiße Text unten lautet „Ideen für nachhaltige Veränderung Susanne Wolf.“ auf einer hellen Holzoberfläche.

Warum sind nachhaltige Produkte teurer?
Weil die Kostenwahrheit fehlt, d.h. umwelt- und klimaschädliche Spätfolgen sind nicht im Preis abgebildet. Es läuft darauf hinaus, dass die Konzerne keine Verantwortung übernehmen. Sie produzieren in Billiglohnländern mit allen sozioökonomischen Folgen, die mittlerweile bekannt sind. Die großen Konzerne werden immer mächtiger und kaufen sich die Politik. Wir Konsument*innen werden dabei für dumm verkauft und gegeneinander ausgespielt: Wer sich die teureren, weil fair produzierten, Produkte nicht leisten kann oder will, wird zum Sündenbock erklärt.

Ich plädiere dafür, aktiv zu werden, nicht alles einfach hinzunehmen. Wir können uns zusammentun und protestieren, Druck machen auf Politiker*innen und Unternehmen, NGOs unterstützen, Petitionen unterschreiben.

Wie kann die Lösung aussehen?
Ich plädiere dafür, aktiv zu werden, nicht alles einfach hinzunehmen. Wir können uns zusammentun und protestieren, Druck machen auf Politiker und Unternehmen, NGOs unterstützen, Petitionen unterschreiben. Im Film „The Green Lie“ spürt der österreichische Filmemacher Werner Boote die Ökolügen der Konzerne auf. Der weltbekannte Intellektuelle Noam Chomsky erklärt dort: „Jedes Thema, mit dem wir im Laufe der Menschheitsgeschichte konfrontiert waren, ob das Ende der Sklaverei, Frauenrechte oder Demokratie, musste erst erkämpft werden.“

Wie sehen Sie die Rolle der Frau bei diesem Kampf?
Mir fällt auf, dass viele – zum Teil junge – Frauen in diesem Prozess involviert sind. Die Klimaaktivistin Greta Thunberg oder auch Jacinda Ardern, die neuseeländische Premierministerin. Mir geht es jedoch nicht darum, dass Frauen die besseren Menschen sind, ich sehe es eher als das weibliche Prinzip. Da geht es weniger um Konkurrenz, sondern um ein ganzheitliches Denken. Der Film „But Beautiful“ von Erwin Wagenhofer hat es sinngemäß so auf den Punkt gebracht: „Wenn man etwas Grundlegendes verändern will, braucht man dafür die Frauen.“

Buchtipps:
Schluss mit dem täglichen Weltuntergang. Wie wir uns gegen die digitale Vermüllung unserer Gehirne wehren, Maren Urner
Constructive News, Ulrik Haagerup