Klimaaktivist:innen wird regelmäßig Alarmismus vorgeworfen. Doch ist es Alarmismus, auf Fakten hinzuweisen? Leo Zirwes zeigt in diesem Beitrag Zukunftsszenarien, Kipppunkte und die enormen Auswirkungen der Klimakrise auf alpine Regionen auf.

Geht es nach Wissenschaftler:innen der Uni Stanford, so überschreitet die Erderwärmung zwischen 2033 und 2035 den Schwellenwert von 1,5°C. Dabei nutzten die beiden Wissenschaftler:innen künstliche Intelligenz, um Modellsimulationen für die Entwicklung des Weltklimas  zu erstellen. Zu ähnlich pessimistischen Einschätzungen gelangen immer mehr Wissenschaftler:innen, so etwa auch jene der World Meteorological Organization. 2015 hieß es im Übereinkommen von Paris, auf das sich 195 Staaten geeinigt hatten, noch, dass man ‘Anstrengungen [unternehmen] werde, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen’. Jedenfalls aber wolle man die Erderwärmung unterhalb der Zwei-Grad-Marke halten. Aber auch das scheint zusehends ein unerreichbares Ziel zu sein.

Wie sieht eine um 1,5 °C oder eine 2 °C wärmere Welt aus?

Man mag meinen, dass 1,5 °C oder 2 °C nicht viel wären. Was macht es mir denn aus, wenn ich rausgehe und es statt 25 °C halt 27 °C hat? Die Folgen sehen aber ganz anders aus.
Für den Menschen bedeuten plus 2 °C statt 1,5 °C zwischen 15 % und 22 % mehr durch Hitze verursachte Todesfälle.

1,5 °C Erderwärmung bedeuten ein 100 % höheres Hochwasserrisiko. 2 °C bedeuten einen Risikoanstieg von 170 %.  Dabei entfallen die Risiken einer solchen Entwicklung nicht gleichmäßig auf alle Erdteile. Leidtragende einer solchen Entwicklung sind vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika, Europa und Asien, wohingegen es in Afrika und in einigen Staaten Osteuropas zu einer gewissen Abnahme des Hochwasserrisikos kommt.

1,5 °C Erderwärmung bedeutet, dass 6 % aller Insekten, 8 % aller Pflanzen und 4 % aller Wirbeltiere vom Aussterben betroffen sind. 2 °C bedeuten, dass 18 % der Insekten, 16 % der Pflanzen und 8 % der Wirbeltiere aussterben. Ganz besonders düster sieht es dabei für Korallen aus: bei einer Erderwärmung von 1,5 °C sterben bis 2050 mindestens 70 % aller gegenwärtigen Korallenriffe ab; bei 2 °C gibt es 2050 so gut wie keine Korallenriffe mehr.

Bei einer Erderwärmung von 1,5 °C sterben bis 2050 mindestens 70 % aller gegenwärtigen Korallenriffe ab; bei 2 °C gibt es 2050 so gut wie keine Korallenriffe mehr.

Eine lebendige Unterwasserszene mit Korallenriffen und zahlreichen bunten Fischen, die im klaren, blauen Wasser schwimmen, eine Erinnerung daran, welche Schönheit auf dem Spiel steht, wenn der Alarmismus rund um die Klimakrise weiterhin die Dringlichkeit der Erhaltung unserer Ozeane unterstreicht.

Ein Ausflug in die Alpen

Gerade alpine Regionen sind besonders betroffen. Ihre Flora und Fauna ist besonders anfällig gegenüber Temperaturanstiegen. Folgen der Klimakrise sind hierbei auch ein Wandel ihrer Biome. Gleichzeitig bedroht das Abschmelzen der Gletscher in vielen Regionen die Wasserversorgung.

Je weiter ein Gebiet von den Weltmeeren entfernt ist, desto stärker ist es von Temperaturschwankungen betroffen. Große, zusammenhängende Wassermassen nehmen viel Wärme auf und “speichern” diese in tieferen Schichten ab. Dadurch kühlen sie die umliegenden Gebiete ab. So haben die Weltmeere seit den 1970er-Jahren mehr als 90 % der vom Menschen zu verantwortenden überschüssigen Wärme aufgenommen und sich durch diesen Prozess kontinuierlich erwärmt. Dieser “Puffer” fällt für die Alpen weg. Wird es wärmer, schlägt sich das ungefiltert in den Alpen nieder. Zum anderen ist es so, dass höher liegende Gebiete ungleich stärker von Temperaturerhöhungen betroffen sind. Diese beiden Umstände und der “Albedo-Effekt” (dazu gleich mehr) sorgen dafür, dass die Klimakrise in den Alpen besonders stark zum Vorschein kommt.

Kipppunkte

Das Klima ist durch vielseitige Rückkopplungseffekte geprägt, das heißt, es gibt Entwicklungen, die sich beim Eintreten gewisser Bedingungen selbst verstärken. Wird eine solche Bedingung einmal erreicht, ist also ein solcher Kipppunkt einmal eingetreten, dann beschleunigen sie die Klimakrise. Die Folgen des Erreichens eines solchen Kipppunktes lassen sich dann nicht mehr umkehren – auch und gerade, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Temperaturen wieder absinken sollten.

Das dabei wohl bekannteste Beispiel ist der sog. ‘Albedo-Effekt’. Ausgedehnte Eisflächen wirken kühlend auf das Klima ein, weil sie einen hohen Strahlungsanteil reflektieren. Diese Flächen haben eine hohe Albedo. Kleiner werdende Eisflächen reflektieren peu à peu weniger Strahlung. Dadurch wird es wärmer und es schmilzt mehr Eis. Das ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf.

Der Albedo-Effekt ist aber bloß ein Beispiel für einen solchen Kipppunkt. Andere Kipppunkte betreffen etwa die Austrocknung und den Kollaps des Amazonas Regenwaldes, den Kollaps der borealen Wälder (die etwa ein Drittel der weltweiten Waldfläche ausmachen) oder die Versauerung der Ozeane und dabei sinkende Aufnahmekapazität für Kohlendioxid.

Auf dem Highway in die Klimahölle

Was ist denn hier eigentlich alarmistisch? Auf der letzten Weltklimakonferenz befand Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, dass wir uns als Weltgesellschaft auf dem ‘Highway in die Klimahölle’ befinden. Es ist kein Alarmismus auf Fakten hinzuweisen. Auch wenn es sich schön anhören mag, dass man in Zentraleuropa leben könne wie an der Adria. So ist diese Vorstellung doch eine Illusion. Vielmehr droht uns eine erschlagende Hitze. Viele werden sich sicherlich an den ‘Hitzesommer’ 2003 erinnern, der nach Schätzungen zwischen 35.000 und 70.000 Menschen in Europa das Leben gekostet hat. Die EU-Kommission geht davon aus, dass zum Ende des Jahrhunderts in der Europäischen Union jährlich 152.000 Menschen durch Extremwetterereignisse umkommen werden. Die Hauptursache ist hierbei Hitze.

Es ist kein Alarmismus auf Fakten hinzuweisen. Auch wenn es sich schön anhören mag, dass man in Zentraleuropa leben könne wie an der Adria. So ist diese Vorstellung doch eine Illusion. Vielmehr droht uns eine erschlagende Hitze.

Leo Zirwes

Vom Vorwurf des Alarmismus

Die Geschichte des Umweltschutzes, aber auch des Klimaschutzes, ist eine, die ganz oft dadurch geprägt worden ist, dass jene, die auf eine Negativentwicklung hinweisen, des „Alarmismus“ bezichtigt worden sind. Diese Entwicklung ging und geht maßgeblich von neokonservativen Thinktanks in den USA aus, etwa dem Heartland Institute.

Man denke etwa an Rachel Carsons „Silent Spring“. Als Carson in den frühen Tagen des Umweltschutzes, im Jahre 1962 ihr Buch „Silent Spring“ veröffentlichte und auf die verheerende Wirkung von Pestiziden und im Speziellen des Pestizids DDT hinwies, traf sie auf erbitterten Widerstand der chemischen Industrie. Teils hieß es, Fortschritt brauche eben „Opfer“ und ohne diese, da würde man noch Leben wie im Mittelalter. Andere wieder meinten, dass die Gefahr, die von Pestiziden ausgingen, von Carson ganz und gar überschätzt worden wären. Im August desselben Jahres verkündete John F. Kennedy unter Bezugnahme auf Carson die Einberufung einer Untersuchungskommission. Zehn Jahre später wurde DDT in den USA weitgehend verboten. Bald folgten die meisten übrigen Staaten dem Vorbild der USA.

Auch heute noch ist der Vorwurf des Alarmismus nicht selten. Dabei begrenzt sich dieses Phänomen nicht bloß auf den angloamerikanischen Raum, sondern ist auch im deutschsprachigen Gebiet zu finden. Hier wird er wohl am prominentesten vom Europäischen Institut für Klima und Energie‘, kurz ‘EIKE’ geäußert.