Obwohl die UN schon lange festgelegt hat, dass sauberes Wasser ein Menschenrecht ist, leben 703 Millionen Menschen ohne Basisversorgung mit Trinkwasser. Viva con Agua ist ein internationales Netzwerk aus unterschiedlichsten Menschen, gemeinnützigen Organisationen und sozialen Unternehmen, das sich für das Menschenrecht auf sauberes Wasser einsetzt.
Als ALL PROFIT Organisation bietet Viva con Agua auch in Österreich unter dem Motto „Wasser für alle, alle für Wasser“ seit 2013 einen niederschwelligen Zugang zu freudvollem Aktivismus, bei dem jede*r einen Teil beitragen kann, erzählt die Geschäftsführung von Viva con Agua Österreich Tina Marie Monelyon im Gespräch.
Was bedeutet “Wasser für alle, alle für Wasser”?
Tina: Das Besondere an Viva con Agua ist, dass wir einen freudvollen Aktivismus fördern. Das bedeutet, wir ermöglichen Menschen einen leichten Zugang, um Gutes zu tun und dabei auch Spaß zu haben.
Dazu gehört zum Beispiel das ehrenamtliche Sammeln von Spenden in Form von Pfandbechern auf Musikfestivals und Konzerten. Aber auch, dass sich einfach jede*r aus der Community mit seiner oder ihrer Idee oder Expertise für den guten Zweck einbringen und diese zur Unterstützung von unseren Zielen umsetzen kann. Unlängst haben zwei passionierte Läuferinnen beispielsweise einen Spendenlauf in 3 Etappen entlang dem Wiener Wasserleitungswanderweg organisiert und die Wiener Laufcommunity dazu eingeladen. Wir sprechen bei Viva con Agua von den universal languages Sport, Musik und Kunst – die verbinden alle Menschen auf der Welt und sind schon seit der Gründung fester Bestandteil des freudvollen Aktivismus von Viva con Agua. Unterstützung erhalten wir dabei auch von bekannten Künstler*innen und Sportler*innen, die während ihrer eigenen Auftritte Shoutouts für Viva con Agua machen, auf Viva con Agua-Benefizkonzerten spielen oder im Rahmen von Kampagnen wie Water is a Human Right ihre Reichweite für mehr Aufmerksamkeit rund um das Menschrecht auf sauberes Wasser einsetzen.
Wer weniger musikalisch oder sportlich ist, kann im Rahmen von Corporate Volunteering unterstützen. Menschen aus der Kreativbranche ermöglichen es uns, freudvolle Kampagnen auf die Beine zu stellen. Jede*r bringt sich so ein, wie er oder sie kann – und somit “Wasser für alle, alle für Wasser”.
Wasser ist Leben und gehört als Menschenrecht zu einem angemessenen Lebensstandard eines jeden Menschen.
Tina Marie Monelyon
CEO Viva con Agua“Wasser für alle” geht einher mit eurem Leitspruch Water is a Human Right. Ist es das denn?
Tina: Die UN-Generalversammlung hat den Zugang zu sauberem Wasser 2010 als zentrales Menschenrecht anerkannt. Sauberes Wasser ist also kein Privileg, sondern gehört zusammen mit sanitären Einrichtungen zu einem angemessenen Lebensstandard eines jeden Menschen. Wasser ist neben der Luft zum Atmen die Grundlage allen Lebens. Alles existiert, weil es Wasser gibt. Und dennoch leben weltweit 703 Millionen Menschen ohne Basisversorgung mit Trinkwasser. Von Basisversorgung spricht man, wenn das Trinkwasser von einer verbesserten Quelle kommt und die Wegezeit inklusive Anstehen nicht mehr als 30 Minuten beträgt. Erfreulicherweise ist diese Zahl rückläufig. Um bis 2030 aber tatsächlich allen Menschen einen gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen, wie von der UN 2015 im Rahmen der 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals/SDGs) festgelegt, müssen wir noch mehr machen. Daher verfolgen wir das Ziel, dass alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser, Hygieneeinrichtungen und sanitärer Grundversorgung bekommen. Diese drei Bereiche gehen immer Hand in Hand.
Während im globalen Norden sauberes Wasser mehr oder weniger selbstverständlich ist, herrscht im globalen Süden eine andere Realität. Hier müssen Menschen, insbesondere Mädchen und Frauen, lange Strecken zu Fuß zurücklegen, um Wasser zu holen. Frauen laufen durchschnittlich 6 km bis zur nächsten Wasserstelle. In vielen Fällen gibt es überhaupt keine sicheren Wasserquellen in der Nähe. Dann wird auf Oberflächenwasser beispielsweise aus Gewässern wie Teichen und Bächen oder auch Bewässerungskanälen zurückgegriffen, welches oft kontaminiert und damit gesundheitsschädlich sein kann. Der Weg zum Wasser sollte nicht länger sein als eine halbe Stunde – das ist die Faustregel. Dafür setzen wir uns in unseren Projekten, die überwiegend im globalen Süden (beispielsweise in Malawi und Uganda) umgesetzt werden, ein.
Zugang zu Wasser ist also auch ein female empowerment Thema?
Tina: Genau, oft sind es Mädchen oder Frauen, die für die Wasserversorgung der Familie zuständig sind. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser verändert alles. Denn Wasser ist Leben. Sauberes Trinkwasser verbessert und schützt nicht nur die Gesundheit, es gibt Kindern und vor allem Mädchen die Möglichkeit, dauerhaft zur Schule zu gehen. Und wenn Frauen weniger Zeit aufbringen müssen, um sich um das Wasser zu kümmern, können sie zusätzlich wirtschaftlich agieren und zum Beispiel Dinge am Markt verkaufen. Das stärkt die lokale Wirtschaft und ermöglicht ein besseres Leben.
Gesicherter Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht Kindern und vor allem Mädchen dauerhaft zur Schule zu gehen.
Tina Marie Monelyon
CEO Viva con AguaKannst du ein Beispiel-Projekt nennen?
Tina: Generell unterstützen wir Wasser-, Sanitär- und Hygieneprojekte, kurz WASH, die wir mit lokalen und internationalen Partnerorganisationen vor Ort umsetzen. Einerseits geht es bei unseren Projekten immer um WASH-Infrastruktur. Seit 2014 finanzieren wir zum Beispiel nachhaltige WASH-Projekte im Bezirk Dedza in Malawi. Dort haben wir z.B. systematisch und strukturell die Versorgungssicherheit zu sauberem Trinkwasser mitaufgebaut. Durch hydrogeologische Untersuchungen wurde eine umfassende Grundwasserkarte des Projektgebiets angefertigt. Basierend auf diesen Daten und einer Bedarfsanalyse wurden defekte Brunnen saniert und auch neue gebaut, um Menschen in Schulen und umliegenden Dörfern durch verbesserte Infrastruktur Zugang zu einer sicheren Wasserversorgung zu ermöglichen.
Dazu gehören aber auch immer Begleitmaßnahmen, die darauf ausgelegt sind, lokale Strukturen und Verantwortlichkeiten zu stärken. Um die Infrastruktur instand zu halten, wurden sogenannte Water Point Committees aus der Community vor Ort gebildet. Sie tragen dazu bei, dass Brunnen in lokalen Gemeinschaften nachhaltig verwaltet und wenn nötig gewartet werden und somit langfristig genutzt werden können. Diese Committees wiederum sind mindestens paritätisch besetzt, um sicherzustellen, dass auch Frauen ein Mitspracherecht haben.
Ein lokales Water Point Committee im Bezirk Dedza in Malawi wird angeleitet, wie ein Borehole nachhaltig genutzt und gewartet wird.
Andererseits geht es bei unseren Projekten aber auch darum, Menschen kreativ und freudvoll zu den Thematiken Wasser und Hygiene zu aktivieren und langanhaltende bzw. nachhaltige Verhaltensänderung zu fördern. Da kommen wieder unsere universal languages in Spiel. Unsere Kolleg*innen von Viva con Agua Uganda haben dafür eigens Football4WASH für Schulen entwickelt. Durch das Projekt werden Schulkinder spielerisch und nachhaltig sensibilisiert und erlernen den hygiene- und gesundheitsbewussten Umgang mit Wasser. Wir setzen gezielt auch auf Projektarbeit in Schulen, denn Kinder agieren als Akteure des Wandels und tragen Gelerntes nach Hause in Haushalte und Gemeinden und übertragen somit das Bewusstsein für die Thematik in ihr privates Umfeld. Auch hier gibt es natürlich eine Infrastrukturkomponente. Das Fehlen von Toiletten und grundlegenden Handwaschmöglichkeiten mit Seife trägt zur Verbreitung von Krankheiten wie Darmwürmern, Bilharziose und Bindehautentzündung bei und hält Kinder und Lehrer*innen vom Unterricht fern. Dies führt zu schlechteren schulischen Leistungen. Das Fehlen von Toiletten und Wasserversorgungen an Schulen hindert zudem Mädchen und junge Frauen daran, sich während ihrer Menstruation waschen zu können, was wiederum zu Fehlzeiten in der Schule führt.
Schulkinder in Uganda können sich durch sicheren Zugang zu WASH-Infrastruktur, wie Wassertanks und Zapfanlagen, regelmäßig die Hände waschen.
Was macht Viva con Agua Österreich besonders?
Tina: In Österreich spielt Trinkwasser nochmal eine ganz andere Rolle. Während es für uns hier selbstverständlich ist, dass unser Trinkwasser täglich einfach aus dem Hahn oder einem der vielen Wasserspender in der Stadt kommt und kostenlos zum Kaffee serviert wird, ist es für Tourist*innen oft überraschend. Bei vielen internationalen Tourist*innen kommen verständlicherweise Zweifel bezüglich der Wasserqualität auf. Ich habe selbst länger in Indien gelebt und weiß daher, dass die Organisation von großen Mengen an abgefülltem Wasser zum Kochen etc. Teil des Alltags ist. Aber selbst für deutsche Tourist*innen ist es überraschend, denn in Deutschland erhält man in der Gastronomie kein kostenloses Glas Wasser.
Im Alltag geht uns einfach schneller die Wertschätzung verloren. Um eben diese zu fördern, haben wir in diesem Jahr zum international viel beachteten Weltwassertag am 22 März zusammen mit einer Kreativagentur die Kampagne „Water Wonderful World“ gestartet: Eine akustische Reise des Wassers, das sich als beliebtes Sinnbild in unzähligen Songs findet, von der Quelle bis ins Glas. Denn wir glauben, Wasser hat die größtmögliche Bühne verdient und haben daher versucht, den Klang heimischer Gewässer in die österreichischen Charts zu bringen. Wie man sieht, nehmen wir uns selbst nicht zu ernst, wenn es darum geht, für unsere Themen Bewusstsein zu schaffen. Wenn das dazu führt, dass Menschen in Österreich kurz innehalten und darüber nachdenken, wie gut wir es hier in Bezug auf sauberes Wasser allgemein und Trinkwasser im Besonderen haben, dann haben wir unser Ziel erreicht.
Hier spielt also wieder eine der universal languages, in diesem Fall Musik, eine Rolle. Kannst du nochmal erklären, wie gerade Musik, Kunst und Sport eure Vision stützen?
Zu den Ideengebern und Gründern von Viva con Agua gehören Sportler und Musiker, daher war das von Anfang an Teil der Viva con Agua DNA. Wir denken das aber noch viel strategischer mit. Die universal languages versteht jede*r und insbesondere Sport, Musik und Kunst nutzen wir, um Menschen zu inspirieren und zu aktivieren – sowohl bei der Generierung von Spenden als auch in unseren Projekten. Die Ansätze verbinden Menschen auf der ganzen Welt und bieten einen lösungsorientierten Ansatz, um für Wasser und Hygiene zu sensibilisieren und sich für Wasser und das Menschenrecht auf Wasser sozial zu engagieren.
Fußball wird z.B. auf der ganzen Welt gespielt. Deshalb haben unsere ugandischen Kolleg*innen Football4WASH ins Leben gerufen. Das funktioniert theoretisch aber auch mit jeder anderen Sportart. Wir überlegen gerade in Malawi ein Netball4WASH-Projekt zu starten. Das ist ein Sport, der gerade bei Mädchen vor Ort beliebter oder gängiger zu sein scheint als Fußball. Im Dzaleka Refugee Camp in Malawi gibt es wiederum eine Frauenfußballmannschaft, mit der wir gerne in Zukunft WASH-Themen unterstützen würden. Dieser Fokus verbunden mit unserem freudvollen Ansatz unterscheidet uns auf jeden Fall von anderen gemeinnützigen Organisationen.
Wo und wie ist Viva con Agua Österreich aktiv und wie kann man euch unterstützen?
Viva con Agua ist für jede*n zugänglich, unabhängig davon, ob man eine Stunde oder fünf investieren oder ob man langfristig engagiert oder einmalig helfen möchte. Wir suchen immer nach Expertise, frei nach dem Motto: skills for good. Über Eigeninitiative in Form von Community-Aktionen freuen wir uns immer besonders. Wie das Beispiel der beiden junge Frauen, die den Wiener Hochquellweg abgelaufen sind und andere eingeladen haben, sich ihnen anzuschließen. Das schafft zusätzliche Awareness.
Ganz klassisch gibt es unsere lokalen Viva con Agua-Crews von Ehrenamtlichen in Städten wie Linz, Wien, Salzburg und Innsbruck, die regelmäßig auf Konzerten und Musikfestivals Pfandbecher sammeln und vor Ort eigene Events und Aktionen organisieren. Wenn jemand eine neue Crew irgendwo in Österreich starten möchte, sind wir dafür natürlich auch jederzeit offen. Einfach bei uns melden. Und natürlich kann man jederzeit auch direkt für unseren Projekte spenden.
Danke für das Gespräch.
Mehr zu Viva con Agua Österreich:
www.instagram.com/vivaconagua.at
Kurzer filmischer Projekteinblick: Football4WASH
Kampagne zum Weltwassertag 2024: waterwonderfulworld.at
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