Früher Biolatschen und ungewaschene Haare, hat sich das Image der Nachhaltigkeit heut zu Fair Fashion und Edelstahl-Mehrweg-Coffee-To-Go-Becher gewandelt. Nachhaltigkeit ist das neue Premium Merkmal – nicht nur für Unternehmen. Woher kommt der Imagewandel vom Hippie zum Hipster und wie viel Substanz hat das Nachhaltigkeitsimage wirklich?

Nachhaltigkeit – eine Definition

Bevor ich diskutieren kann, wie sich das Öko-Image gewandelt hat, muss ich definieren, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet und warum es zurzeit so omnipräsent ist.

Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip der Ressourcen-Nutzung, bei dem derzeitige Bedürfnisse durch den Ressourcen-Verbrauch befriedigt werden, ohne dabei künftigen Generationen die Lebensgrundlage zu entziehen,” so eine Internet-Definition. Ich formuliere nochmal um: Es geht um einen achtsamen Umgang mit unserem Planeten und das in jeglichen Lebensbereichen.

Für mich heißt Nachhaltigkeit auch, ein ressourcenschonender Umgang über meine eigene Komfortzone hinaus, aber dazu später mehr. Zunächst stellt sich noch die Frage, woher der Nachhaltigkeitsboom eigentlich kommt.

Bio war ja schon länger auf der Agenda, aber was ist mit Flugscham, Zero Waste und Ökostrom? Was ist mit InfluencerInnen, die sich mit Fair Fashion statt H&M schmücken und ihre vegane Superbowl präsentieren? Wann ist der Hippie zum Hipster geworden?

Der Imagewandel der Nachhaltigkeit

Ich würde mal frei behaupten, Fridays for Future haben Nachhaltigkeit wirklich ins politische und gesellschaftliche Bewusstsein gedrängt und damit auch in die (sozialen) Medien. Seit den weltweiten Streiks, steht nicht nur Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda, sondern auch der Klimawandel und damit die Frage, was nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern jede/r einzelne tun kann. Bambuszahnbürsten, DIY-Deo-Cremes und Second Hand Mode boomen, wie nie zuvor und finden auf Instagram ihren Anklang. Nachhaltigkeit ist also ein großes gesellschaftliches Thema, das haben mittlerweile auch Industrie und Handel begriffen. Aber was war eigentlich vorher? Die Ökos gab es doch schon immer!

Von der Holznot zur Anti-Atomkraft-Bewegung

Historiker Joachim Radkau datiert den Beginn der Umweltbewegungen im heutigen Sinne auf um 1800. Damals gab es gerade die Holznot: Eine Versorgungskrise beim Rohstoff Holz. Kurze Zeit später kam auch zum ersten Mal die Idee auf, dass Natur schützenswert sei.

Aber das ist nicht das, was wir im Kopf haben, wenn wir an die alten Ökos denken.
Wir denken an die sogenannte zweite Umweltbewegung in Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren (die erste wird auf die Wende zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert datiert). Damit verbunden sind die Anti-Atomkraft-Bewegung und die Proteste gegen Waldschäden. Es war eine soziale Bewegung, die sich vor allem durch einen postmaterialistischen Wertewandel kennzeichnet.

Woran wir noch denken sind lange Haare, Leinenkleidung, runde Brille mit kleinen Gläsern, Gesang und freie Liebe. Wir denken: Die alten Hippies!

Vom Hippie zum Hipster

Wer vor 20 Jahren alte Hippie-Eltern hatte, hatte es in der Schule schwer und war mit dem aufgetragenen Second-Hand Gewand und dem Recycling Papier nicht gerade eins der Cool Kids. Mit Hippie-Eltern war man zu unangepasst.

Heute ist das anders. Heute wird schon in den Schulen gelehrt, wie wichtig Mülltrennung ist und, dass Du Dich für die Umwelt einsetzt, wenn Du eine auffüllbare Wasserflasche dabei hast. Die Millennial-Eltern legen Wert auf einen nachhaltigen Lebensstil — auch bei ihren Kindern. Es wird in Stoffwindeln gewickelt, Second Hand gekauft und man selbst hat immer seinen Mehrweg-Coffee-to-go-Becher dabei. Sie sind zu Öko-Hipstern geworden und propagieren das, wofür sie selbst in der Schule gehänselt haben.

Das ist kein Vorwurf. Ganz im Gegenteil: Der Wandel vom uncoolen Hippie zum trendigen Öko-Hipster ist ein guter und es ist wichtig, dass sich dieser Wandel nicht nur durch die Fridays for Future Generation und die Millenials zieht, sondern ein gesamtgesellschaftlicher ist. Denn jede nachfüllbare Flasche reduziert Plastik, jedes selbstgemachte Deo ist weniger schädlich für Mensch und Umwelt, jedes Fair Fashion Teil spart Ressourcen und sorgt für faire Arbeitsbedingungen.

Vor allem aber muss der Nachhaltigkeits-Imagewandel auf einem Fundament stehen und kein kurzweiliger Trend sein und hier kommt die Klimakrise und die eigene Komfortzone ins Spiel.

Der Wandel des Klimas

Ich habe vorhin schon kurz zwei Dinge angesprochen: Den Klimawandel und Ressourcenschonung außerhalb der eigenen Komfortzone. Beides steht in engem Zusammenhang, aber bevor ich diese Verbindung erläutere, widmen wir uns kurz nochmal dem Klimawandel.

Ich kann es nicht besser sagen als Dr. Nils Meyer-Ohlendorf in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung. Deshalb zitiere ich: “Der Begriff “Wandel” bezeichnet (…) für gewöhnlich einen langsamen und linearen Prozess. Man spricht vom Wandel der Zeiten und will damit sagen, dass die Dinge sich über lange Zeiträume gleichmäßig ändern. Von einem langsamen Prozess erwartet man jedoch zumeist keine besonders schmerzhaften Auswirkungen.

Keine schmerzhaften Auswirkungen und vor allem keine Dringlichkeit. Klimawandel ist also ein grundfalscher Begriff für das, was schon passiert und für das, was uns noch bevorsteht: Lebensmittel- und Wasserknappheit, Waldbrände in Gegenden, in denen es nie Waldbrände gab, Artensterben. Was wir erleben, ist eine ausgewachsene Krise, kein Wandel und ein Großteil dieser Krise ist menschengemacht.

Wir müssen raus aus der Nachhaltigkeits-Komfortzone

Der anthropogene, als der menschengemachte, Klimawandel, findet insbesondere seit der Industrialisierung statt. Die Freisetzung von Treibhausgasen spielt hier die größte Rolle. Wir haben es geschafft unsere Lebensgrundlage innerhalb weniger Jahre an den Rand des Zusammenbruchs zu treiben.

Dieser Zusammenbruch schließt den Menschen mit ein. Im Endeffekt geht es bei der Klimakrise nicht nur um das Bienensterben und das Schmelzen des Permafrost-Bodens, sondern um den Fortbestand der Menschheit. Es geht darum, eine politische und gesellschaftliche Entwicklung zu verhindern, die keine/r, und ich betone keine/r, von uns wollen kann. Hier spielt die Nachhaltigkeits-Komfortzone eine Rolle.

Vom Einweg-Becher auf Mehrweg umzustellen und Bio einzukaufen ist super und lässt sich auch leicht in den Alltag integrieren. Es kostet wenig Mühe, es kostet uns vor allem nicht unserem Komfort.
Schwieriger wird es, wenn wir das Gefühl haben, uns wird etwas weggenommen oder wir müssen verzichten. Auf die Inlandsflüge zum Beispiel oder auf das Auto.
Hier hört der Nachhaltigkeits-Wille bei vielen auf. Dabei hat gerade die Mobilität einen enormen Einfluss auf den C02-Ausstoß.

Auch ich würde natürlich lieber in 1,5 Stunden von Wien nach Deutschland fliegen, wo meine Familie lebt, als mich 9 Stunden in den Zug zu setzen. Aber zu welchem Preis? Ich muss mich entscheiden, ob ich auf Kosten meines Komforts oder auf Kosten der Umwelt leben möchte und ich für meinen Teil, weiß worauf meine Entscheidung fällt.

Vom Trend zum Bewusstsein

Natürlich zählt jeder kleine Schritt und jeder kleine Schritt ist wichtig. Der Punkt ist, mein Punkt ist, wir haben nicht mehr genug Zeit für kleine Schritte und erst Recht nicht für Trends. So sehr, gerade beim Thema Klimakrise, Politik und Wirtschaft gefragt sind, solange es hier nicht richtig vorwärtsgeht, bleibt es an uns vorwärtszugehen und zwar schnell.

Deshalb darf der Imagewandel der Nachhaltigkeit nicht beim eigenen Image bleiben, sondern muss ein echter Wandel sein. Es braucht nachhaltige Langfristigkeit beim Thema Klima und Umweltschutz und dafür braucht es jeden Hippie und jeden Öko-Hipster. Lasst uns aus dem Trend ein Fundament bauen, auf das wir bauen können – auch noch in 500 Jahren.