Nicht weit von Wien, in Purkersdorf, steht ein Haus mit einer Weltneuheit: Es ist das erste Wohngebäude in Passivhausbauweise,  das die Wetterprognose mit der thermischen Bauteilaktivierung koppelt.

Gemeinsam mit der BOKU haben Treberspurg & Partner Architekten das zukunftsfähige Modell für die Einsparung von Heizenergie in einem Forschungsprojekt entwickelt.

Heizen und Kühlen verbrauchen in Österreich derzeit rund 30-40 % des Endenergieverbrauchs.

Es ist zu erwarten, dass die Energie, die für das Kühlen benötigt wird, in den nächsten Jahren noch steigen wird. Systeme wie die thermische Bauteilaktivierung können helfen Gebäude das ganze Jahr über zu temperieren und so für eine größtmögliche Behaglichkeit der Nutzerinnen und Nutzer zu sorgen.

Bei der TBA (Thermische Bauteilaktivierung) werden in konstruktive Betonbauteile mit großer Oberfläche (z.B. Geschoßdecken) Rohrleitungen verlegt, die mit kühlem oder warmem Wasser durchströmt werden. Die Wärme oder Kälte wird an den Beton weitergegeben. Der Bauteil wird dadurch zur Speichermasse, die die Energie gleichmäßig an den Raum weitergeben bzw. Energie aufnehmen kann.

Die Trägheit des Systems kann als Vorteil genutzt werden, der Beton wird zum Energiespeicher. Gebäude, die mit Thermischer Bauteilaktivierung ausgestattet sind, können als Bausteine für ein Smart-City-Konzept gesehen werden, in dem Gebäude nicht nur dezentral Energie produzieren, sondern diese auch speichern können.

Weltneuheit in Purkersdorf bei Wien

Im Doppelhaus in Purkersdorf, das seit etwas mehr als einem Jahr bewohnt wird, wurde erstmals die Bauteilaktivierung mit einer prädiktiven Steuerung kombiniert: Das Gebäude schaut sozusagen zwei Tage in die Zukunft. Der Algorithmus dazu wurde von Magdalena Wolf vom IVET (Institut für Verfahrens- und Energietechnik) der Universität für Bodenkultur entwickelt. Dazu wurden die Gebäudedaten wie etwa speicherfähige Massen, Ausrichtung, Kubaturen, Fensterflächen erfasst.

Es wird gemessen, ob sich unter Berücksichtigung von Wetterprognosedaten ein messbarer Vorteil für den Gebäudebetrieb ergibt und wie groß dieser in unterschiedlichen Situationen erwartet werden kann. Dafür werden Informationen über zukünftige Entwicklungen der Außentemperatur und der solaren Einstrahlungsleistung der nächsten 24 bis 48 Stunden verarbeitet. Diese Vorausschau kann prinzipiell mit allen möglichen Heizsystemen kombiniert werden. Im Forschungsprojekt wird aber speziell der Zusammenhang mit thermisch aktivierten Bauteilen untersucht. Die große Trägheit dieser Systeme wirkt einerseits stabilisierend für das Gebäude, andererseits ist eine rechtzeitige Reaktion auf einen Wetterwechsel besonders wichtig.

Trägheit als Vorteil

Genau diese Trägheit des Energiespeichers Beton ermöglicht auch die kostengünstige und effiziente Zwischenspeicherung von Sonnen- und Windenergie. Ein ganz wichtiges Thema, da das Heizen und Kühlen von Gebäuden in Zukunft ohne fossile Energieträger erfolgen soll.

Möglich wäre es auch den Algorithmus mit Parametern wie günstiger Energiepreis oder Behaglichkeit zu erweitern. Apropos Behaglichkeit: Die Temperaturunterschiede im Raum betragen nicht mehr als 1°C. Somit wird Zugluft vermieden, und der Raum wird als „behaglich“ wahrgenommen.

Eine Thermische Bauteilaktivierung ist nicht viel schwieriger zu verlegen als eine Fußbodenheizung.

Die Schläuche werden auf die unterste Bewehrungsebene montiert. Die Einbauhöhe sorgte im Vorfeld für Diskussionen, wurde dann aber mit 5 cm festgelegt. Für das Forschungsprojekt wurden zusätzlich Temperaturfühler eingebaut, damit der genaue Temperaturverlauf im Bauteil nachvollzogen werden kann. Die Energieversorgung erfolgt über eine Wärmepumpe mit Erdreichtiefensonden, ein beträchtlicher Teil des Strombedarfs wird durch eine Photovoltaikanlage am Dach abgedeckt.

Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend, endgültige Aussagen werden aber erst nach Abschluss des Forschungsprojektes möglich sein. Aber schon jetzt wissen wir mit Sicherheit, dass in Zukunft noch mehr Innovationen gefragt sein müssen, um den Gesamtenergieverbrauch für den Gebäudesektor weiter zu senken.

Infos zum Forschungsprojekt

„Modellentwicklung und Validierung für thermisch aktivierte Bauteile (TAB) an einem Demo-Wohngebäude für Scale-up auf mehrgeschoßigem Wohnbau“

Projektleitung: DI Dr. Magdalena Wolf, BOKU
Projektpartner: Treberspurg & Partner Architekten, Ingenieurbüro Hofbauer

Projektinformationen