Claus Bretschneider ist schon sein ganzes Leben in der Modeindustrie daheim. Gestartet hat alles im Wiener Familienbetrieb. Mittlerweile kämpft er als Berater und Unternehmer mit der österreichischen Slow Fashion Brand Breddy’s für eine nachhaltige Fashionwelt. Im Frühjahr dieses Jahres ist sein erstes Buch Fashion for Future erschienen. Dieses entlarvt nicht nur die Täuschungen der Modebranche, sondern ist gleichzeitig eine Handlungsorientierung, vor allem aber ein Plädoyer für einen zukunftsfähigen Umgang mit Mode.

Claus, du arbeitest seit 40 Jahren in einer Branche, von der du selbst schreibst, dass an ihr Dreck und Blut klebt. Was schockiert dich an der Modeindustrie immer noch?

Schockmomente kommen sehr oft. Sowohl, wenn ich Statistiken und Berichte lese oder anschaue, als auch beim Besuch von Produktionen, wenn ich sehe, auf welchem Ausbeutungssystem Bekleidung stattfindet und unter welchen Umständen Kleidung hergestellt wird. Da kommt dann auch die Hilflosigkeit des Erkennens, dass es noch nicht im Mainstream angekommen ist, dass die Hintergründe der Modebranche noch nicht gesehen werden.

Hast du deshalb dein Buch Fashion for Future geschrieben – um Bewusstsein zu schaffen?

Junge Menschen kennen nichts anderes als Fast Fashion. Es gibt keine andere Wahrnehmung von Mode in den letzten 25 Jahren, weil Fast Fashion so präsent und fast die einzige Möglichkeit war. Mir geht es um Information, damit jede*r sich eigene Gedanken machen und vor allem in die Eigenverantwortung gehen kann. Information und Bildung sind ein riesiger Schlüssel. Wenn wir es nicht schaffen, dass Nachhaltigkeit für jede*n zugänglich ist, dann schaffen wir auch keinen nachhaltigen Impact.

Claus Bretschneider, Breddy’s Pants

Ein Mann mit grauem, lockigem Haar, einer dunklen Jacke und einem weißen T-Shirt lächelt in die Kamera und verkörpert die Essenz von Fair Fashion.

Auseinandersetzung mit der Fashion Industry als Stichwort also.

Ich will nicht missionieren. Ich will informieren. Mode ist ein Statement: Was sage ich mir damit, was der Gesellschaft? Wie weit habe ich mich mit dem auseinandergesetzt, was ich trage? Kann ich eine bewusste Konsumentscheidung treffen? Es geht nicht darum, gar nichts mehr zu kaufen, sondern in die Verantwortung zu gehen. Es gibt schon viele Menschen, die sich an der Schwelle befinden und wenn sie informiert sind, nehmen sie das auch an. Deshalb gibt es im Buch auch eine Checkliste, die es leichter macht, selbst zu bewerten und zu beurteilen.

Gleichzeitig soll das Buch zeigen, dass die aktuelle Modebranche weder gut für Mensch noch Natur ist. Es soll ein Anstoß sein, dass Fast Fashion nicht zu Ultra Fast Fashion wird – auch wenn sich gerade eine gegenteilige Entwicklung zeigt.

Eine gegenteilige Entwicklung? Man sieht doch mittlerweile in fast jedem Fast Fashion Unternehmen Nachhaltigkeits-Kollektionen oder Kleidung aus recycelten Materialien.

Die meiste „recycelte“ Kleidung besteht aus recycelten Polyester-Flaschen. Dabei besagen, die Positionspapiere zum EU-Green-Deal ganz eindeutig, dass Polyester-Flaschen-Recycling nicht die Idee der Kreislaufwirtschaft ist: Flaschen sollten Flaschen bleiben. Brutaler hat es kürzlich Greenpeace formuliert: Recycling von Flaschen für die Herstellung von Kleidung ist Greenwashing.
Ähnlich verhält es beim organic cotton, bei dem man das Gefühl hat, es hat bei allen Fast Fashion Unternehmen Einzug gehalten. Dabei zeigen die Zahlen, dass der Anteil an weltweit hergestellter Kleidung aus nachhaltiger Baumwolle verschwindend gering ist: In 2022 lag er bei gerade mal 1,4 %.

Mode ist ein Statement: Was sage ich mir damit, was der Gesellschaft? Wie weit habe ich mich mit dem auseinandergesetzt, was ich trage? Kann ich eine bewusste Konsumentscheidung treffen?

Claus Bretschneider

Wenn die sogenannten Nachhaltigkeits-Kollektionen der Moderiesen kein Ansatzpunkt sind: Welche Hebel muss man ziehen, damit aus der schmutzigen Modeindustrie Fashion for Future werden kann?

Das funktioniert nur in einem Zusammenspiel aus Verantwortung der Unternehmen, Konsument*innendruck und staatlichen Regelungen.
Fakt ist, dass die Textil- und Bekleidungsbranche eine der Branchen ist, die am geringsten reguliert ist.
Selbst dort, wo es Regulierungen gibt, wie zum Beispiel bei der Verwendung von Chemikalien, gibt es keine Überprüfung.
Das wichtigste Schlagwort ist allerdings Kreislauf, wobei mein wichtigstes Stichwortstop overproduction!“ ist. Derzeit werden 40 % der produzierten Kleidung nicht verwendet. Das heißt, vier von zehn Menschen arbeiten daran, etwas zu produzieren, das es nicht mal in die Geschäfte schafft und direkt weggeschmissen wird. Das führt dann zum nächsten Problem, nämlich den riesigen Textilmülldeponien in Afrika und Südamerika.

Gibt es Ansätze und Ideen, wie sich Überproduktion vermeiden lässt?

Production on demand wäre eine Lösung. Also erst dann zu produzieren, wenn der Bedarf da ist und die Kleidung schon gekauft wurde. Dafür braucht es massive Technologieentwicklung und das ist eins der wesentlichen Zukunftsthemen. Bei Arbeitskleidung wird heute schon oft erst nach dem Bestellvorgang produziert und diese Branche wiederum wird sehr stark von einer Supply Chain in Europa organisiert.

Production on demand würde also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wenn das der erste Schritt wäre, um die Fashion Branche zu revolutionieren, was braucht es noch?

Eine Rücknahmeverpflichtung seitens der Unternehmen. Das kann eine Selbstverpflichtung sein, allerdings hoffe ich auf den Gesetzgeber. Als Drittes braucht es Circularity, hier vor allem Technologieentwicklung, damit aus schon Vorhandenem neue Kleidung werden kann – und damit meine ich keine PET-Flaschen. Aus Weste sollte Weste, aus Hose sollte Hose werden. Das ist die Circularity, die wir brauchen.

Danke für das Gespräch.

Mein wichtigstes Stichwort ist „stop overproduction!“ Derzeit werden 40 % der produzierten Kleidung nicht verwendet.

Claus Bretschneider

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