Das Klimavolksbegehren mit fast 400.000 Unterschriften ins Parlament zu bringen war ein Riesenerfolg. Doch jetzt kommt die zähe Arbeit: Der Politik beständig auf die Finger zu schauen – und darauf zu achten, dass Versprechen nicht verwässert oder gar vergessen werden. Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, im Interview mit Tom Rottenberg über den aktuellen Status der Klimapolitik in Österreich, Klimaklagen und darüber, ob ihre Arbeit irgendwann nicht mehr notwendig sein wird.
Katharina Rogenhofer ist für Menschen, die sich für Klimapolitik interessieren, eine gute Bekannte: Du bist das Gesicht des „Klimavolksbegehren“. Mittlerweile hast du auch mit den Parlamentarier*innen gesprochen – und ein Klimaschutzgesetz ist unterwegs. Ist damit alles getan und die Welt gerettet?
Ja, da haben wir einen sehr großen Schritt gemacht – aber es sind ganz viele weitere fällig. Wir sind im Parlament behandelt worden, es ist auch überraschender Weise ein Antrag durchgekommen: Die Regierungsparteien haben uns davor immer wieder gesagt: ‚Ja, Klimaschutz – aber nicht über das Regierungsprogramm hinaus‘ aber jetzt ist da doch einiges über das Regierungsprogramm hinaus gegangen.
Jetzt ist es eben die Arbeit am Klimaschutzgesetz, wo viele unsere Anliegen eben nicht nur in einem Antrag stehen, den die Parlamentsparteien abnicken, sondern hoffentlich bald in einem ambitionierten Gesetz. Wir haben also einiges erreicht – aber die Maßnahmen müssen auf den Boden kommen. Also umgesetzt werden. Wir sind erst bei der Legistik: „Mühsam nährt sich das Eichhörnchen“ heißt es ja nicht ohne Grund.
Du hast als UN-Mitarbeiterin 2018 in Katowice Greta Thunberg kennengelernt und wurdest zu einer der ersten „Fridays for Future“-Aktivist*innen in Österreich. 2020 bist du zum Klimavolksbegehren gekommen, jetzt bist du dessen Sprecherin.
Die Idee war es, die Forderungen von „Fridays for Future“ von der Straße in den politischen Prozess einzubringen. Dort ist über 30 Jahren nichts geschehen, von der politischen Seite aus: Die Menschen sind aufgestanden, die Wissenschaft predigt schon lange – aber in der Politik ist nichts passiert. Wir haben den Schritt zur politischen Umsetzung gemacht.
Eines der wenigen Werkzeuge, die wir zur Verfügung haben, ist ein Volksbegehren.
Wir haben 380.590 Unterschrift bekommen. 100.000 braucht man, um im Parlament behandelt zu werden. Das war unter Corona-Bedingungen gar nicht einfach. Das, aber auch viele Umfragen, haben gezeigt, dass die Menschen schon weit sind. Und auch von den Regierungen Handlungen einfordern. Aber die Regierungen noch langsam sind. Um die Versprechen auf den Boden zu bringen wollten wir ins Parlament.
Anfang des Jahres hast du in „Freitag in der Arena“ erzählt, wie es ist, sich auf den Weg zu machen. Jetzt seid ihr im Parlament schon angehört worden. Was jetzt?
Was wir in den letzten zwei Jahren gut geschafft haben, ist, dass man am Thema nicht mehr vorbeikommt. Es gibt viele Versprechen zur Klimaneutralität: 2040 bei uns, 2050 auf EU-Ebene, schon 2035 in Dänemark. Alle überbieten sich mit ihren Ambitionen. Das ist gut, allerdings eben nur Versprechen, Ziele in der Zukunft. Das muss auf den Boden gebracht werden. Das bedeutet: Maßnahmen setzen. In Österreich, also in jeder funktionierenden Demokratie, müssen Gesetze so gebaut sein, dass Maßnahmen überhaupt möglich sind. Wir sind gerade am Weg dieser Übersetzung von Versprechen in Gesetzestexte. Da steht als nächstes das Klimaschutzgesetz an. Wir wollen natürlich, dass das ein gutes Gesetz wird, damit es uns über die nächsten zehn, zwanzig Jahre zu jener Klimaneutralität begleitet, die wir uns vorgenommen haben.
Und das muss dann herunterdekliniert werden: Ölkesselausstieg, Gasheizungen tauschen, raus aus Öl und Gas in der Raumwärme, Öffis ausbauen etc: Das muss erst auf den Boden gebracht werden – aber so haben wir einen Rahmen, wie wir in diese klimaneutrale Zukunft steuern können.
Aber wäre nicht genau das die Aufgabe der Politik? Wieso braucht es da Druck der Straße?
Darauf haben wir 30 Jahre lang gehofft – und es ist nicht passiert. Wenn man die Wissenschaft ernst nimmt, sieht man, dass das Auswirkungen auf alle Menschen haben wird, wenn wir weitermachen wie bisher.
Die Klimakrise wird alle treffen und Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen haben.
Auf die Ernährungssicherheit, weil jetzt schon schon Ernteausfälle kommen, auch dieses Jahr. Man möchte meinen, dass die Politik – in Österreich und der ganzen Welt – dafür zuständig ist, allen ein gutes Leben zu garantieren. Das bedeutet eben auch Klimaschutzmaßnahmen. Aber das scheitert an vielen anderen Interessen. Gerade die Wirtschaft würde gerne weiterwirtschaften wie bisher.
Dafür wird oft die Bevölkerung als Verhinderer vorgeschoben: Es wird gesagt, die Menschen sind nicht dabei – um von der eigenen Verantwortung abzulenken.
Aber die Klimabewegung hat gezeigt: Die Menschen sind dabei. Die Menschen stehen auf. Das heißt, dass sich die Politik nicht mehr der Verantwortung entziehen kann.
Spürst du, dass dieser Tritt in den Hintern der Politik Wirkung zeigt?
Sie kann sich nicht mehr entziehen. Das sieht man auch in Deutschland mit der dortigen Klimaklage. Dort entscheiden Gerichte zugunsten der Menschen. Sie sagen, wenn Deutschland nicht die richtigen Klimaziele setzt, wird das auf die Freiheitsrechte der nächsten Generationen gehen – und das geht nicht. Der Druck wird so stark, dass sich die Politikerinnen und Politiker bewegen müssen – die Frage ist nur, wie schnell.
Man hat schon beim Antrag zum Klimaschutzvolksbegehren gesehen, dass sich etwas bewegt. Davor hieß es immer „Über das Regierungsprogramm gehen wir nicht hinaus“ – aber sie sind dann doch darüber hinaus gegangen. Das heißt, man kann viel bewirken. Die Frage ist, was dann tatsächlich passiert.
Wir merken, dass sich immer mehr Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen, in Gemeinden auch Bürgermeister*innen, Gedanken machen. Dass sie fragen, was das für eine Gemeinde heißt, für ein Unternehmen – dass sie fragen, was sie beitragen können. Ich glaube, durch diese kleinen Zellen, die beginnen sich zu bewegen, nachzudenken und Schritte zu setzen, kommt die Politik auch nicht mehr daran vorbei.
Fein. Aber: Wie schnell geht das alles? Schnell genug?
Ja, diese Mühlen mahlen extrem langsam. Das stößt mich immer wieder vor den Kopf. Da merke ich, wie ich die Geduld verliere. 2018 war ich auf der Klimakonferenz in Kattowitz. Schon dort haben die Wissenschafter*innen gesagt, dass die Erwärmung um 2 Grad viel schlimmer sein wird, als die um 1,5 Grad. Das bedeutet hunderte Millionen mehr Menschen, die flüchten müssen. Hunderte Millionen mehr, die von Armut betroffen sein werden, weil sie nichts mehr anbauen können. Es wird den Unterschied bedeuten, ob es überhaupt noch Korallenriffe gibt oder nicht: Es ist essentiell, dass wir jetzt handeln. Ambitioniert und nicht nur mit Zielen in der Zukunft.
Es ist doch klar, dass man für ein Ziel arbeiten muss. Sonst bin ich ein Marathonläufer, der beim Startschuss nicht losläuft: Wie will ich da ins Ziel kommen?
Genau das ist aber das Problem, die zentrale Frage: Die Größe des Problems, die Dringlichkeit und die Schnelligkeit, mit der etwas geschehen muss ist noch immer nicht in der Politik angekommen. Das ist Aufgabe von uns Aktivist*innen und der Wissenschaft: Darauf hinzuweisen, dass das nicht mehr vertrödelt werden darf – und was die Folgen davon sind, wenn wir jetzt nicht handeln. Wie fahrlässig das ist.
All das hast du auch schon zu Jahresbeginn gesagt. Was hat sich konkret geändert?
Wir sehen immer mehr positive Meldungen. Die Klimaklage in Deutschland. Dass es mit Biden in den USA gelungen ist, die USA zumindest rhetorisch in den Ring der Ambitionierten aufzunehmen. Auf EU-Ebene sind ein paar Dinge, etwa in Sachen „Green Finance“, weiter gegangen. Das sind Dominosteine: Ein paar Investitionsfonds ziehen sich aus fossilen Anlageformen zurück. Manches wird nicht mehr gebaut: Dominosteine beginnen zu fallen.
Aber wann der Ketteneffekt einsetzt, wann der gesellschaftliche Kipppunkt kommt, wo eins nach dem anderen einfach passiert, das ist die Frage. Auch, wann Marktmechanismen zu kippen beginnen: Bei der Elektromobilität geht es gerade los, dass Batterien billiger werden. Bei erneuerbarer Energie ist es schon länger so, dass Solarenergie billiger ist als neue Kohle- oder Gaskraftwerke. Die große Frage lautet: Wie schnell, geht das – und: geht es schnell genug.
Was hat sich beim Klimavolksbegehren selbst getan?
Jetzt gerade arbeiten wir daran, beim Klimaschutzgesetz Druck auszuüben. Um dafür zu sorgen, dass es zu einem wirkungsvollen Rahmengesetz wird. Dass da ein CO2-Budget drin steht, das wir nicht überschreiten dürfen. Dass Sofortmaßnahmen ergriffen werden, falls wir den Zielpfad so überschreiten wie wir es jahrelang gemacht haben. Dass es Sanktionsmechanismen gibt – all das muss drinnen stehen.
Ist das, was als Vorlage da ist, gut?
Der Entwurf geht in die richtige Richtung. Es ist zum Beispiel ein wirkungsvoller Rechtsschutz eingebaut. Etwas, das wir davor nicht hatten: Wie gehen wir gegen das Nicht-Handeln des Staates vor? Auch ein CO2-Budget, das jährlich sinkt und das eingehalten werden muss. Es könnten aber einige Punkte ambitionierter sein. Etwa der Zukunftsinvestitionsfonds, in den Länder und Bund einzahlen bei Überschreitung: Könnte man das nicht so machen, dass jene Länder mehr zahlen, die Klimaschutzmaßnahmen verfehlen? Jetzt wird nach einem fixen Schlüssel aufgeteilt.
Es gibt da aber auch Gegenpositionen …
Da geht es um das „Damoklesschwert“: Automatische Steuererhöhungen, wenn bestimmte Sachen eben nicht passieren. Dagegen wird gerade lobbyiert. Aber: Zuerst müsste da ja einmal das Ziel verfehlt werden – und genau das sollte doch schon nicht der Fall sein. Wir sollten Emissionsgrenzen ja einhalten. Erst am Ende, wenn wir trotz anderer Maßnahmen das Ziel noch immer nicht schaffen, soll es zu diesen automatischen Steuererhöhungen kommen. In der Schweiz existiert das schon – und auch nur, weil Steuererhöhungen extrem unbeliebt sind: Jeder versteht, dass man das nicht haben will.
Genau deswegen ist dieses Damoklesschwert ja im Gesetz: Damit die Regierung sich selbst in den Hintern tritt, etwas vorantreibt und tatsächlich daran interessiert ist, die Ziele einzuhalten: Genau das geschah in den letzten 30 Jahren nicht. Genau das spricht die Kernproblematik an: Das Nicht-Handeln.
Wird dieses Gesetz alles zum Guten wenden?
Zum Besseren. Zum Guten haben wir noch viele Schritte vor uns: Wie kommen wir raus aus Öl und Gas? Oder zu einer ökosozialen Steuerreform? Ich glaube, dass ein ambitioniertes Klimaschutzgesetze einen guten Rahmen für all diese Maßnahmen bieten kann. Es wäre ein Riesenschritt in die richtige Richtung.
Glaubst du, dass in den nächsten Jahren der Moment kommt, wo ihr als Klimavolksbegehren sagt: „Super, unsere Arbeit ist getan – wir können uns auflösen und alle auf Urlaub fahren“?
Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, dass man als Aktivistin irgendwann lernt, Zwischenerfolge zu feiern, auch wenn die Arbeit nie ganz getan ist. Gerade wenn wir von Klimaneutralität 2040 reden, denke ich: Selbst, wenn wir das umsetzen, können wir uns wohl erst 2040 auf die Schultern klopfen. Davor wird es nie den Punkt geben, wo wir sagen „unsere Arbeit ist getan“. Vermutlich auch danach nicht. Weil es immer Stellschrauben geben wird, die noch nachgestellt werden müssen. Aber ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben in den letzten zwei Jahren mehr bewegt als davor. Aber ich hoffe, dass sich noch sehr sehr viel mehr bewegen wird. Denn wir müssen schneller werden. Nicht bloß grüne Versprechen machen – und uns dann umdrehen und etwas Anderes machen. Genau das ist in der Politik viel zu lange passiert.
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