Die Energiewende ist rasch, sicher, sauber sowie wirtschaftlich und sozial positiv sofort einleitbar.
Am 24. August schrieben Simon Rosner, Ronald Schönhuber und Petra Tempfer in der Wiener Zeitung über „Die unbequeme Wahrheit des Klimaschutzes“. Tatsächlich ist die Klimakrise von wenig Ehrlichkeit geprägt. Vor allem im Wahlkampf lauschen Menschen lieber schönen als mahnenden Worten. Und grundsätzlich stimmt auch die zentrale Aussage des Artikels: Aus heutiger Sicht wird die Reduktion unserer Treibhausgasemissionen auf null wehtun. Technologie wird unsere heutige Lebensweise auch nicht vollends retten. Unseren Lebensstandard aber sehr wohl. Diese Diskussion muss man führen. Werden wir in Zukunft weiterhin blind Fleisch in rauen Mengen verschlingen, steuern wir weiterhin mit Kleinpanzern durch die Innenstadt und jetten viele Menschen nach wie vor täglich um den Globus? Eher nicht. Aber sollte das unseren Standard definieren? Wohl kaum.
Keine neuen AKW errichten
Dass es, wie im Artikel erwähnt, ohne Atomkraft nicht gehen wird, halte ich allerdings für falsch. Neue AKW werden so gut wie nicht mehr gebaut. Die meisten Kernkraftwerke sind Altbestand und obsolet, neue basieren auf fragwürdigen Strukturen (wie etwa das Kraftwerk Hinkley Point in Großbritannien). Auch die Infrastruktur, die wir für die Klimawende brauchen, kann nicht pauschal als teuer und daher als „Gegenargument“ bezeichnet werden. Investitionen und Umbauten des Energiesystems sind „part of the game“, seit wir nach dem Zweiten Weltkrieg reindustrialisiert haben. Ölpipelines und Verbindungen zu fossilen Kraftwerken waren in der Vergangenheit wichtig, sie haben sich aber nun langsam überlebt und sollten rückgebaut werden. Der Umbau in Richtung Erneuerbare Energie ist zweifellos notwendig. Aber das ist nicht neu und auch Folge der „Europäisierung“ unseres Energiesystems.
Natürlich müssen wir uns auch über die langfristig notwendigen Schritte unterhalten. Wir müssen das Fundament für eine Energiezukunft ohne fossile Brennstoffe schon heute legen und die langfristigen Fragen klären. Die Umweltpsychologie warnt vor der Ohnmacht, die durch die schiere Größe der Herausforderung und deren vermeintliche Unlösbarkeit verursacht wird. Denn dadurch sinkt der Druck auf die Politik, endlich die unbedingt notwendigen und leicht umsetzbaren Maßnahmen in Angriff zu nehmen, weil man sie schlicht nicht mehr diskutiert.
Die ersten Schritte sind wichtig
Wir dürfen – während wir über die langfristigen Themen und Details wie Verhaltensänderungen und die Neudefinition unseres Lebensstandards diskutieren – nicht an den ersten, so wichtigen Schritten scheitern. Wir wissen, dass wir in Österreich zu zwei Dritteln von der Verbrennung fossiler Energie abhängig sind. Wir wissen aber auch, dass wir fossile Energie durch verbesserte Effizienz und Erneuerbare Energien ersetzen können. Sobald die Politik die nötigen Rahmenbedingungen setzt, braucht es ein Jahr, bis die Photovoltaik sprießt, ein wenig länger für Biomasse, Windkraft und Wasserkraft.
Die Potenziale dafür reichen in Österreich, in Europa und weltweit. Österreich ist in der privilegierten Lage, ab 2030 mehr als 100 Prozent des Strom- und fast zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs mit Erneuerbaren Energien decken zu können. Und wenn wir heute beginnen, können wir Österreichs Treibhausgasemissionen durch jetzt schon vorliegende Lösungen fast halbieren. Elektromobilität und öffentlicher Verkehr sind effizienter und mit erneuerbaren Energien betrieben definitiv sauberer als jeder Verbrennungsmotor.
Von Verzicht ist hier noch keine Spur. Denn die wissenschaftliche Prüfung bescheinigt nicht nur Mach- und Leistbarkeit, sondern vor allem positive wirtschaftliche Effekte der Klimawende. Natürlich entstehen auch dabei Diskussionen. Wer diese jedoch als Gegenargument verwendet, hat Demokratie nicht verstanden. Sie hindern nicht am Handeln, sondern zwingen zu ordentlichem Argumentieren. Die Argumente für die notwendigen, bereits kurzfristig wirksamen Maßnahmen liegen alle vor. Die Energiewende ist rasch, sicher, sauber und wirtschaftlich und sozial positiv sofort einleitbar. Es passiert unter anderem deswegen nicht, weil sie eben unmittelbar zur Reduktion des fossilen Energiebedarfs führt. Diskussionen über Fernziele und Verzicht in der Zukunft, die zur Lähmung in der Gegenwart führen, spielen also den Blockierern und Bremsern in die Hände.
Wir laufen ein Marathon
„Welche unmittelbaren Lösungen bieten die Parteien?“ Das sollte landauf, landab in den Medien gefragt werden. Die Medien sollten nicht nur provokante und zugespitzte Diskussionen um Schnitzel ventilieren, dadurch werden auch kontraproduktive Abwehrhaltungen erzeugt. Die unbequeme Wahrheit ist, dass wir derzeit lieber über entbehrliche, weit entfernte Themen diskutieren als über jene, die unmittelbar vor uns liegen sollten.
Die nächste Regierung wird die klimapolitisch höchst relevante Dekade bis 2030 prägen. Dazu sind langfristig wirksame Veränderungen anzustoßen und bereits kurzfristig wirksame Lösungen umzusetzen. Das ist ein Marathon, und den läuft man Schritt für Schritt. Und: Unterschreiben Sie das Klimavolksbegehren. Es wirkt nicht gleich. Aber es hält uns auf der Strecke.
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