Mitte Jänner nahm der österreichische Klimarat seine Arbeit auf. Er soll, so jedenfalls nach der Meinung des facheinschlägigen Ministeriums, ein “Mini-Österreich” sein und besteht aus einer durch den “Zufall” zusammengestellten Gruppe, bestehend aus 100 Personen, die seit zumindest 5 Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben. Dass man, in welchem Format auch immer, BürgerInnen in die Klimapolitik einbezieht, dass geschieht gerade vielerorts mit verschiedenen Konzepten.
Was heißt hier repräsentativ?
Anders gefragt, welche Gruppe kann und darf von sich behaupten, die Gesellschaft zu vertreten oder den “Querschnitt” der Gesellschaft darzustellen. Gerade wenn dieser gesellschaftliche Querschnitt über so sensible Themen wie die Klimakrise befindet, dann ist die Art und Weise der Definition des repräsentativen Charakters das Um und Auf.
Die Auswahl der Beteiligten am österreichischen Klimarat, oblag der Statistik Austria, die sich gerade einer vielfältigen Kritik bezüglich der Zusammensetzung des Gremiums ausgesetzt sieht.
Zurück zum Anfang: Zuerst sandte die Statistik Austria 1003 Briefe mit einem Fragebogen an eine proportional geschichtete Zufallsstichprobe aus dem Melderegister. Da man annahm, dass bildungsfernere Schichten weniger häufig einer Teilnahme zustimmen würden, waren Personen aus dieser Gruppe bei dieser Aussendung überproportional vertreten. Nach dieser ersten Tranche, wartete man die sich daraus ergebenden Rückmeldungen ab und sandte dann weitere 1000 Briefe aus. Dabei passte man Zufallsstichprobe an die Rückmeldungen aus der ersten Tranche an; waren die Rückmeldung einer Bevölkerungsgruppe in der erste Tranche besonders zahlreich, so sandte man an diese Gruppe in der zweiten Tranche weniger Briefe aus. Aus den so insgesamt versendeten Briefen lukrierte man 145 vollständig ausgefüllte Fragebögen. Die Statistik Austria machte sich danach daran, diese 145 Rückmeldungen so zu reihen, dass sie möglichst gut ein Abbild der österreichischen Gesellschaft darstellen.
Der Knackpunkt
Die Auswahl der 2003 Personen, denen man einen ersten Brief zusendete, die mag zwar eine für die österreichische Gesellschaft repräsentative gewesen sein. Die endgültige Auswahl der Teilnehmenden erfolgte aber nach den ausgefüllten Fragebögen. Das hier das Kriterium der repräsentativen Auswahl nicht so ganz zur Geltung kommt, dass ist unschwer zu erkennen. Das zeigt sich auch am Meinungsspektrum der in dem Gremium vertretenen Personen: Nur eine sieht es als nicht notwendig an, eine Verhaltensänderung für den Klimaschutz zu setzen. Wäre das repräsentativ für die Gesellschaft, so hätte ich doch erhebliche Zweifel, ob wir uns denn in einer Lage befinden würden, in der es eines Gremiums wie des Klimarats bedürfe.
Man hat sich hier wohl zwischen den Polen der repräsentativen Vertretung und der Einfachheit des gemeinsamen Arbeitens auf Kosten des Ersten für das Zweite entschieden.
Zusammenkommen, aber know the facts!
Ins Gespräch kommen, in den Dialog treten, das braucht nicht nur ein Interesse, sondern auch ein gemeinsames Fundament aller Beteiligten. In diesem Fall, wenn es also um die (Natur-)Wissenschaft geht, hat das Fundament auch ein Naturwissenschaftliches zu sein. Damit dieses bei allen Beteiligten ein möglichst einheitliches Niveau hat, wird der Klimarat durch einen wissenschaftlichen Beirat begleitet, der aus renommierten WissenschaftlerInnen besteht.
Seitdem es die wissenschaftlichen Erkenntnisse rund um den Klimawandel gibt, gibt es Interessengruppen, die an diesem Fundament zu nagen versuchen. Deren Ziel es ist, durch Angst und durch Desinformationskampagnen in dieser Angelegenheit Unsicherheit zu schaffen. Nun also beim Klimarat darauf zu achten, dass man auf einer Ebene des Wissenstandes ist, dass man alle Teilnehmenden durch einen wissenschaftlichen Beirat berät, macht nur Sinn.
Was denn nun eigentlich dabei herauskommen soll
Nach den 6 Wochenenden, an denen der Klimarat tagt, sollen Antworten in Form von Maßnahmen für die großen Klimafragen im kleinen Österreich gefunden sein – etwa: “Woher beziehen wir unsere Energie?” oder “Wie sollen wir uns fortbewegen?” (lt. Website des Klimarates).
In so kurzer Zeit so viele Fragen zu beantworten, wie man es sich vorgenommen hat, das ist ein ambitioniertes Ziel. Gerade weil und wenn man dabei auch noch gewährleisten will, dass die Beteiligten des Klimarates die Entscheidungen, die sie treffen sollen, auch auf einer wissenschaftlichen Grundlage treffen – die es erst zu schaffen gilt.
Die so lukrierten Ergebnisse sollen gegen Mitte des Jahres der Bundesregierung übergeben werden. Was mit den Ergebnissen dann passieren soll? Das ist gegenwärtig noch nicht beschlossen. Die Bundesregierung sagte jedenfalls zu, die Ergebnisse zu “sichten”.
Legitimität und Vertrautsein
Gute Gründe für die Schaffung eines (wirkungsstarken) Klimarates gibt es viele. Allen voran jenen, dass es für die Bewältigung der Klimakrise Maßnahmen gebraucht, die von allen tragbar sind, aber auch von allen mitgetragen werden. Das heißt notwendigerweise, dass diese Maßnahmen als legitim verstanden werden müssen. Das ein solches Ziel einleuchtend erscheinen mag, in seiner Umsetzung aber auf erhebliche Problemfelder stößt, ist nicht zuletzt im Zuge der Coronavirus-Lage eindrücklich unter Beweis gestellt worden.
Das Gemeinwohl ist ein schwer zu verwirklichendes Ziel – allein schon, weil das Meinungsspektrum hier so breit ist, wie das Feld der Mitglieder der Gesellschaft(en). Hier einen neuen Weg hin zur Anerkennung der Maßnahmen gegen die Klimakrise zu gehen, kann als Präventivmaßnahme eines Ausfransens des Ziels, sprich der Lösung der Klimakrise verstanden werden. Vielleicht mag ein solches Vorgehen dazu geeignet sein, den vielfältigen Krisen, denen wir gerade begegnen, ein neues Werkzeug gegenüberzustellen. Wenn man sich umsieht, dann ist es ja ein leichtes, die Zustände, denen wir begegnen, bemessen an den gesellschaftlichen Maßstäben der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte das Suffix der “Krise” hintanzustellen. Man denke an die ökonomischen Krise(n), die Vertrauenskrisen auf internationaler Ebene, die Gesundungskrise der von long-COVID betroffenen, die Schrumpfungskrisen, die Kriegskrise in der Ukraine etc.
Sui generis!?
Mitnichten! Der Klimarat ist kein Einfall, den es nur auf Bundesebene gibt. Vielmehr gibt es in den Länder Spin-offs aber auch international vielerlei gleichgeartete Projekte, 2021 fand gar ein international konzipierter Klimarat statt. Teils tagen diese Klimaräte noch, teils haben sie bereits gute Ergebnisse geliefert.
Über ihre einzelnen Wirkungsbereich hinaus stehen die Klimaräte aber auch in regem Austausch mittels eines europäischen Netzwerks. Es soll einerseits dazu dienen, verschiedene Klimaräte miteinander zu vernetzen. Andererseits dient es auch als Anlaufstelle, um das Instrument des Klimarates grundsätzlich zu verbessern und all jene Interessengruppen zu beraten, die gedenken einen solchen Klimarat einzurichten.
Der Versuch eines Fazits
Meine Kritik richtet sich nicht an den Klimarat als Gremium, sondern daran, ob er so, wie er konzipiert ist, das erreichen kann, worauf er hinwirken soll: Klimaneutralität bis 2040.
Demgegenüber wiegt es für mich schwer, dass sich im Klimarat kaum “Gegenstimmen” finden bzw. die Stimmen all jener, die sich mit Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes nicht so recht anfreunden können.
Heute muss es gerade darum gehen, diese Menschen mit ins Boot zu holen. Dass man das erreicht, indem 1 von 98 Personen diese Stimme vertritt, erscheint (jedenfalls mir) schwer ersichtlich. Gerade diese Stimmen muss man ernst nehmen, damit auch sie den Klimarat ernst nehmen.
Die beratende Funktion des Klimarates, die erwächst gerade daraus, wie nah er an das Spektrum der Meinungen der Gesellschaft herankommt und je klarer den Beteiligten von Anfang an ist, welchem Zweck das von ihnen erarbeitete einmal dienen wird. Das man tagt und arbeitet, ohne zu wissen welches Gewicht dieses Tun am Ende einmal haben wird, das halte ich für suboptimal. Man hätte vor dem Tagen des Gremiums festsetzen müssen, was genau mit den Ergebnissen geschehen wird.
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