15. März 2022: MILA ist der erste Mitmachsupermarkt Wiens, der gute und günstige Lebensmittel zu fairen Preisen, für Konsument*innen als auch Produzent*innen gleichermaßen, anbieten will. Vorbilder für den genossenschaftlichen Supermarkt gibt es in Paris oder New York. Ich habe mit Brigitte Reisenberger, einer der Gründer*innen des Projekts, darüber gesprochen, warum es einen alternativen Supermarkt braucht und, wie ein Mitmachsupermarkt die Nachhaltigkeit fördern kann.

Brigitte, bitte erklär zum Anfang, was ein Mitmachsupermarkt überhaupt ist.
Ein Mitmachsupermarkt hat reguläre Öffnungszeiten und ein Vollsortiment. MILA ist dabei Wiens erster genossenschaftlicher Supermarkt, das heißt allen, die bei MILA einkaufen, gehört auch ein Stück des Marktes. Gleichzeitig gehört zu einem Mitmachsupermarkt dazu, dass alle, wie der Name sagt, mitmachen und so zum Beispiel alle vier Wochen drei Stunden im Markt arbeiten.

Das heißt, der Markt funktioniert mit ehrenamtlicher Mitarbeit?
Es wird hauptamtliche Mitarbeiter*innen geben, sonst klappt es nicht. Diese wiederum koordinieren dann das gesamte Geschehen, auch den betriebswirtschaftlichen Teil. Alle anderen Mitglieder*innen von MILA müssen alle vier Wochen drei Stunden mitarbeiten. Es soll so organisiert sein, dass man in angestammten Teams mit fixen Schichten arbeitet. Die Aufgaben reichen vom Einräumen der Gemüseanlieferung bis hin zum Schneiden des Käses.

Aber um einzukaufen und mitzumachen muss man in der Genossenschaft sein?
Genau. Als Erstes wird man Mitglied und somit Genossenschaftsanteilhaber*in. Der Anteil ist sozial gestaffelt und liegt zwischen 20 € und 100 €. Natürlich bekommt man das Geld wieder, wenn man aussteigt.

Man kauft also einen Genossenschaftsanteil und kann dann einkaufen und mitarbeiten. Aber warum braucht es überhaupt einen Mitmachsupermarkt?
In Österreich gibt es eine enorme Supermarktdichte und gleichzeitig eine extreme Markt- und Machtkonzentration, die sich auf nur drei große Konzerne konzentriert. Das ist übrigens auch im europäischen Vergleich extrem. Die Preise werden für Endkonsument*innen innerhalb dieser Strukturen immer höher, steigen dabei aber weder für Produzent*innen noch für Kassierer*innen. Das ist auf keiner Seite fair. MILA will diesem Machtverhältnis ein ganz konkretes Projekt entgegensetzen. Dabei soll es aber kein Bio-Bobo-Projekt sein. Uns geht es gleichzeitig um die Zugänglichkeit zum alternativen Einkaufen.

Was heißt das – Zugänglichkeit zum alternativen Einkaufen?
Bio-Läden sprechen oft eine ganz bestimmte Gruppe an und haben so den Anschein, dass sie nicht für alle zugänglich sind. Wir wünschen uns zum Beispiel, dass der Standort kein Innenstadtbezirk ist, sondern dort, wo es eine Durchmischung von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen gibt.

Gleichzeitig kann sich bei uns jede*r Produkte wünschen und so die Produktauswahl aktiv beeinflussen. Wichtig ist dabei, dass man die Lebensrealitäten der Menschen in den jeweiligen Bezirken oder Gegenden beachtet. Wenn spezielle Linsen aus der Türkei oder Kochbananen gewünscht werden, wird es die bei uns auch geben.

Heißt das, Bio ist bei euch kein Thema?
Doch. Tierwohl- und Umweltfragen spielen auf jeden Fall eine Rolle und es wird Bioprodukte geben, aber eben nicht exklusiv. Nachhaltigkeit ist bei uns auf verschiedenen Ebenen verknüpft. Das Sortiment wird möglichst Bio, möglichst saisonal und möglichst regional sein. Wobei das, gerade in Wien, eben auch die ungarische Salami oder das tschechische Bier sein kann.

Foto: Victor Kössl

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Welche anderen Aspekte der Nachhaltigkeit spielen bei MILA eine Rolle?
Wir werden das Sortiment möglichst verpackungsfrei und zum Abfüllen gestalten. Auch der Transport ist entscheidend. Es macht keinen Sinn, 70 Produkte von 70 verschiedenen Produzent*innen zu beziehen. Das heißt, wir setzen hier auf Zusammenschlüsse, Genossenschaften oder eben auch Großhändler*innen. Das ist nicht nur logistisch, sondern eben auch ökologisch sinnvoller.

Wir waren gerade in Paris, wo eins unserer Vorbild-Projekte schon umgesetzt ist. Hier achten die Leute explizit darauf, dass sie Dinge nehmen, die am nächsten Tag ablaufen. Gerade, wenn ich Miteigentümer*in bin, habe ich natürlich ein Interesse daran, dass die Dinge nicht weggeschmissen werden. Das reduziert die Lebensmittelverschwendung auf ein Minimum. In Paris ist es alle zwei Tage eine kleine Kiste. Außerdem werden die Lebensmittel, selbst wenn sie bald ablaufen, nicht verbilligt. Das schafft Bewusstsein dafür, dass ein Lebensmittel immer noch denselben Wert hat.

Ich fasse mal zusammen: MILA ist nicht nur ein Projekt, dass unterschiedliche Aspekte der Nachhaltigkeit einbezieht, sondern vor allem auch ein gesellschaftliches, ein soziales Projekt.
Absolut. Gemeinsam, mitmachen und gutes Essen sind die drei Stichwörter, die MILA beschreiben. Es geht darum, dass Menschen zusammenkommen, die sonst aneinander vorbeileben oder die sonst nicht miteinander in Berührung kommen würden. Dafür ist das gute Essen das wichtigste. Es ist toll zu sehen, welche Lebensmittel da sind, wenn die Mitglieder*innen mitbestimmen können. Wir wollen nichts verbieten oder verbannen, weil man damit die Menschen verbannt, die diese Produkte kaufen wollen. Auch wenn wir die genannten Aspekte der Nachhaltigkeit beachten wollen, sind wir keine perfekten Konsument*innen, die alles nur Bio und Fairtrade beziehen. Es muss Raum für alle geben und das funktioniert nicht dem erhobenen Zeigefinger.

So kannst du Teil von Wiens erstem Mitmachsupermarkt werden und das Projekt unterstützen. Damit MILA realisiert werden kann, braucht es ein Minimum von 2.000 Mitglieder*innen. Du kannst sowohl solidarisches Mitglied werden und das Projekt finanziell unterstützen als auch als aktives Mitglied an Arbeitsgruppen oder im Markt mithelfen.

Übrigens startet MILA in diesem Jahr einen Probebetrieb im 16. Bezirk, in dem alle Menschen einkaufen und das Projekt und die Menschen dahinter kennenlernen können. Die Crowdfunding-Kampagne hierzu läuft vom 21.02.-23.03. über Startnext.