Astrid Aschenbrenner teilt mit ihren rund 35.000 Follower*innen auf ihrem Account @wienerkind_ ihren Alltag und ihre Arbeit als Unternehmerin und Aktivistin. In ihren Beiträgen klärt sie über Umweltschutz und mentale Gesundheit auf und betont dabei immer wieder, wie wenig es braucht, um auf sich und die Umwelt zu achten.
Ich habe mit der 33-Jährigen über Achtsamkeit als Konzept eines nachhaltigen Lebens gesprochen und darüber, warum es weder Yoga noch ein Vollbad braucht, um ein achtsames Leben zu führen.
Astrid, wir sprechen heute über Achtsamkeit und Nachhaltigkeit. Deshalb gleich meine erste Frage: Wie geht’s dir wirklich?
Astrid: Zum Teil bin ich gerade massiv überfordert, deshalb versuche ich Tag für Tag oder manchmal sogar Stunde für Stunde zu nehmen – das habe ich aus meinem ersten Burnout gelernt. So reduziere ich Stress und verliere mich nicht darin. Gerade weil ich manchmal unterbewusst künstlich Dringlichkeit erzeuge, überlege ich mir gut, was vielleicht bis Juli oder auch bis Ende des Jahres warten kann.
Eine ehrliche Antwort, wie man sie auch von deinem Instagram-Account kennt. Du bist nicht nur sehr transparent, wenn es um dein Burnout geht, sondern sprichst generell viel und offen über mentale Gesundheit. War das schon immer so?
Astrid: Jein – bevor ich mit Social Media begonnen habe, habe ich mich nicht so stark mit dem Thema auseinandergesetzt. Das Burnout ist einfach in dieselbe Zeit gefallen und irgendwann habe ich auf Instagram erwähnt, dass ich zur Therapie gehe. Darauf kam so ein enormes Feedback, wie toll es ist, dass ich so offen darüber spreche. Ich habe einfach gemerkt, dass es da einen Bedarf gibt.
Neben deiner Aufklärungsarbeit auf Instagram und Co., bist du Kabarettistin, zeigst mit Fashion Revolution Austria und Einzelstück, was nachhaltige Mode ist, bist Aktivistin und Podcasterin – wie schaffst du es bei all den Bällen, die du jonglierst achtsam mit dir zu sein?
Astrid: Momentan nicht so gut. Deswegen habe ich ganz viel auf Eis gelegt. Das funktioniert nur, wenn ich in meiner Kraft bin. Gerade versuche ich mir meine Arbeit einzuteilen und zu priorisieren, wenn ich zum Beispiel weiß, dass ich eine Abgabe habe.
Mittlerweile bin ich auch so ehrlich, dass ich Kund:innen oder Kolleg:innen sage: Ich schaffe das Projekt erst im Sommer und meistens funktioniert das für sie auch. Ich habe erlebt, was es mit mir macht, wenn ich mir zu viel aufbürde und das ist kein Geld der Welt wert. Und am Ende des Tages, kann ich keinen guten Job liefern, wenn ich überarbeitet bin.
Aber ich muss natürlich meine Miete zahlen. Das heißt, unbezahlte Arbeit wie die bei Fashion Revolution Austria muss dann die sein, die als Erstes liegen bleibt. Auch, wenn ich hier gerade am meisten Zeit investiere, einfach weil es mir am meisten Spaß macht.
Ich habe mich von der Nachhaltigkeit verabschiedet und bin in die Achtsamkeit übergeflossen. Der Begriff Nachhaltigkeit ist mittlerweile einfach hardcore kommerzialisiert und wird super inflationär benutzt.
Astrid Aschenbrenner
Unternehmerin und AktivistinFair Fashion ist mit Einzelstück und jetzt Fashion Revolution Austria ein großer Teil deiner Arbeit. Warum ist dir das so wichtig?
Ich hatte es extrem lang nicht am Schirm und habe nie gedacht, dass ich in der Mode lande, weil ich mich damit einfach nicht identifiziere. Aber es ist eines der greifbarsten Themen: Jeder Mensch besitzt und trägt Kleidung. Damit betrifft es uns alle. Ich kann ohne Smartphone leben, aber ohne Kleidung…?!
Gleichzeitig betrifft Kleidung so viele Bereiche, angefangen von Menschenrechtsverletzung über Umweltverschmutzung. Ich muss noch viel lernen und kenne erst die Spitze des Eisbergs, aber die reicht mir schon…und damit wären wir bei der Achtsamkeit.
Was bedeutet Achtsamkeit denn für dich?
Astrid: Ich habe mich von der Nachhaltigkeit verabschiedet und bin in die Achtsamkeit übergeflossen. Der Begriff Nachhaltigkeit ist mittlerweile einfach hardcore kommerzialisiert und wird super inflationär benutzt.
Wenn ich aber Achtsamkeit im Herzen trage, gehen sich für mich viele Dinge einfach nicht aus. Eine nicht-pflanzliche Ernährung, Müll auf der Straße, Fast Fashion… Wenn ich mich um meine Mitmenschen und den Planeten kümmere und mich mit diesen Themen auseinandersetze, geht das einfach nicht mehr. Ein achtsames Verhalten macht mich dann auch automatisch zu einem nachhaltigeren Menschen.
Wie gehst du selbst achtsam mit dir um?
Astrid: Wenn es um meinen Körper geht, heißt das vor allem darauf zu achten, was ich ihm zuführe und meine Gesundheit durch Ernährung zu fördern. Aber, wenn es mal stressig wird, ist das auch da, wo ich am schnellsten Abstriche mache. Dann esse ich nicht oder Hauptsache irgendwas und trinke nichts.
Aber auch: Grenzen zu ziehen. Nein sagen zu können, ist eine der größten Formen der Achtsamkeit. Nicht nur mir, sondern auch meinem Gegenüber gegenüber.
Zusätzlich ist Nachhaltigkeit eine Form der Achtsamkeit, also wie ich mit dem Planeten umgehe.
Neben der Nachhaltigkeit ist auch die Achtsamkeit mittlerweile ein Begriff, der gerade auf Social Media extrem kommerzialisiert wird…
Astrid: Absolut! Es macht mich sehr wütend, wenn Achtsamkeit als white skinny girl privilege vermarktet wird. Du musst weder Yoga machen, noch dir ein Bad einlassen, um achtsam zu leben. Du brauchst nichts außer dir selbst.
Ich bin selbst Teil der Maschinerie, aber ich versuche das umzudrehen. Kampagnen, die Achtsamkeit propagieren, sage ich nicht zu. Ich will nicht, dass Menschen das Gefühl bekommen, sie können nicht achtsam sein, weil es viel Geld kostet und damit wieder mit Privilegien verbunden ist.
Vor allem…desto weniger wir brauchen, desto glücklicher sind wir.
Womit sich wieder der Kreis von Achtsamkeit und nachhaltigem Leben schließt.
Astrid: Ganz genau. Wenn ich nicht wie eine Besessene kaufe, sondern nur das, was ich wirklich brauche, dann muss ich mich gar nicht mit so vielen Dingen auseinandersetzen. Da wird man ja auch alt und wahnsinnig. Und was braucht man schon?
Nichtsdestotrotz heißt das gerade am Anfang, man muss mit Scheuklappen durch die Welt gehen und stark sein oder eben gebraucht kaufen, wenn man schon etwas kaufen muss.
Wie bei Einzelstück?
Einzelstück: Das sind gebrauchte Kleidungsstücke, die in liebevoller Handarbeit mit Stickereien versehen werden, die sich auf die Kategorien Natur, mentale Gesundheit, Statements und Wien beziehen. Die Kollektionen verlängern nicht nur die Lebensdauer der Kleidungsstücke, sondern haben auch eine soziale Komponente, indem sie Frauen zusammenbringen, die durch das Sticken wieder eine Aufgabe und ein soziales Gefüge bekommen.
Einzelstück ist tatsächlich aus einer Wut heraus und eher impulsiv entstanden. Mittlerweile macht jeder auf Insta eine T-Shirt-Kollektion und ich habe gedacht, es liegen schon so viele Shirts herum, warum nutzt die keine:r?! Es war eher eine aktivistische Geschichte oder eine Trotzreaktion und dann ist es einfach gewachsen.
Mittlerweile haben wir Frauen, zum Teil Pensionistinnen, an Bord geholt, die bei Einzelstück als Stickerinnen arbeiten. Wir arbeiten gerade daran, dass sie sich regelmäßig treffen und gemeinsam sticken. Einzelstück hat also auch eine soziale Komponente und spannt auch hier wieder den Bogen zwischen Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen und dem Planeten.
Mehr zu Astrid:
Website: wienerkind.com
Instagram: @wienerkind_
Podcast: Schauma Mal
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